In vielen Kanzleien werden Mitarbeiter regelmäßig nach ihren erbrachten Leistungen beurteilt und nicht selten hat diese Mitarbeiterbeurteilung Auswirkungen auf Bonuszahlungen oder überhaupt auf die Gehaltseinstufung. Die Kriterien, wie Kanzleiinhaber dabei ihre Bewertungen durchführen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Was allerdings unabhängig von den verwendeten Systemen dabei ungerechterweise passiert, will ich an einem klassischen Beispiel darstellen, das ich vor kurzem von einem Mitarbeiter erfahren habe (Vielen Dank dafür!). 

Harte Faktoren und weiche Faktoren

In Bewertungsverfahren kann grundsätzlich zwischen harten und weichen Faktoren unterschieden werden. Vorteilhaft bei harten Faktoren ist und bleibt deren Messbarkeit, Sichtbarkeit und Prüfbarkeit. Allerdings ist die Steuerberatung eine Dienstleistungsbranche und genau deshalb spielen weiche Faktoren bei der Leistungsbeurteilung, also der Wahrnehmung „Was tut ein Mitarbeiter eigentlich wie?“, eine richtig große Rolle. Der Nachteil der weichen Faktoren besteht genau in deren Nichtmessbarkeit, häufig Nichtsichtbarkeit und schlechten Überprüfbarkeit. Es sei denn, Sie machen sich die Mühe und schauen genau hin und ERKENNEN Leistung, wo sie entsteht und ANERKENNEN sie bei denjenigen, die sie erbringen. 

Typische harte Faktoren für die Leistungsbeurteilung

Typische weiche Faktoren 

 

Die Falschbewertung als alltäglicher Normalfall

Mit Hilfe von harten Leistungskriterien bewerten Kanzleiinhaber einen Mitarbeiter im Jahresabschlussteam in folgendem Beispiel: 

Der Zielumsatz wird auf 150 T EUR gesetzt. Den Umsatz zu erreichen, ist keine besondere Schwierigkeit, sondern durchaus möglich, wenn der besagte Mitarbeiter beispielsweise 20 Klienten betreut und diese zusammen einen Umsatz von 200 T EUR erwirtschaften. Davon muss der Mitarbeiter allerdings einen Umsatzanteil abgeben, wegen Hilfestellungen anderer oder weil andere beispielsweise die Abschlussgespräche führen. Der Mitarbeiter kommt abschließend auf einen persönlichen Umsatz von 175 T EUR.

Der Mitarbeiter hat damit seine Zielsetzung nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen. Die Aufträge haben insgesamt eine richtig gute Deckung, da solide Honorare vereinbart wurden, die Qualität stimmt auch. In Summe erhält der Mitarbeiter eine 1a-Bewertung. Er ist jedenfalls sein Geld wert, wenn nicht mehr. Gegebenenfalls erhält er für seine Leistung eine Prämie oder sogar eine höhere Gehaltseinstufung. Alles bestens also!

Bei genauerem HINSEHEHN profitiert der Jahresabschlussmitarbeiter von einer Reihe von Faktoren, die er nicht selbst beeinflussen kann, die ihm in seiner Leistungsbeurteilung allerdings sehr zugute kommen: 

Mit Hilfe derselben Kriterien bewerten Kanzleiinhaber einen Finanzbuchhalter:

Der Zielumsatz wird mit 100T EUR festgelegt. Den Umsatz zu erreichen, ist ein sehr hohes Ziel. Er betreut 30 kleinere Klienten, die auf einen durchschnittlichen Umsatz von ca. 120 T EUR kommen. Von diesem Umsatz muss auch dieser Mitarbeiter Anteile „abgeben“, weil er beispielsweise anderen Hilfestellung gibt, Einschulungen übernimmt, Vorarbeiten für den Jahresabschluss leistet oder durch eine umfangreiche Urlaubsvertretung. Am Ende kommt dieser Mitarbeiter vielleicht auf einen Gesamtumsatz von 95 T EUR. Fazit ist, er hat seine Zielsetzung nicht erreicht. 

Demotivation 1:

Keine Zielerreichung, daher gibt es für diesen Mitarbeiter weder eine Bonusprämie noch eine höhere Gehaltsstufe.

Demotivation 2:

Die Deckung ist bei vielen Klienten aus den unterschiedlichsten Gründen miserabel: Honorar ist schlecht vereinbart, wenig Unterstützung der Inhaber/Partner bei der Organisation der Belege des Klienten

Demotivation 3:

Die Frage: „Wie kann das sein, was haben Sie da gemacht?“ – womit wir beim größten unternehmerischen wie menschlichen Fehler angekommen wären. 

Allerdings:

Bei genauerem HINSEHEN leidet der Finanzbuchhalter unter einer ganzen Reihe von Umständen, die er selbst kaum bis gar nicht beeinflussen kann. Unabhängig davon, wie fleißig er seine Arbeit erledigt, wird er genau deshalb seine Zielvorgaben nie erreichen: 

Wie im Märchenland 

Die Moral aus dem Vergleich Jahresabschlussmitarbeiter und Finanzbuchhalter ist demnach, wie wir es aus unseren Kindertagen aus den Märchen kennen: Es gibt immer diejenigen, denen die Umstände zugute kommen, und diejenigen, die, egal wie sehr sie sich anstrengen, in der Gruppe der armen Säue landen.

Mitarbeiterbewertung auf reiner Zahlenbasis durchzuführen, kann nur ins Verderben führen. Zahlen bilden einen wichtigen Teil der Leistungsrealität ab. Zahlen können motivieren, allerdings sollten Mitarbeiter einer Steuerberatungskanzlei nicht nach Zahlen alleine bewertet werden. 

Mitarbeiterbewertung NEU 

(1) Hören Sie Ihren Mitarbeitern zu

Gerade die Finanzbuchhaltung ist die Basis für eine ganze Reihe von weiteren Dienstleistungen, die auf der professionellen Bearbeitung in diesem Bereich aufbauen. Die Mitarbeiter aus der Finanzbuchhaltung können Ihnen sehr genau sagen, wo und ob Schwierigkeiten bestehen. Allerdings nur, wenn Sie bereit sind es zu hören.

(2) Formulieren Sie eine neue Frage

In der scheinbar harmlosen Frage „Wie kann das sein, was haben Sie denn da gemacht?“ entdecken wir bei genauerem Hinhören den darin verborgenen Vorwurf.   Eine Alternative ist: „Mir ist aufgefallen, dass die Bearbeitung der Mandate XYZ mit miserablen Deckungsbeiträgen läuft, was können wir aus Ihrer Sicht ändern, dass das besser laufen kann?“

(3) Führen Sie Gespräche

Auch wenn eszeitaufwändig ist – nur in einem Gespräch können Sie erfahren, wo welche Leistungen von Mitarbeitern wie erbracht werden bzw. überhaupt erbracht werden können. Sie demonstrieren damit Interesse am Wissen Ihrer Mitarbeiter und zeigen Vertrauen in deren Kompetenzen.

(4) Stehen Sie zu und hinter Ihren Mitarbeitern und übernehmen Sie die Verantwortung

Manchmal heißt das auch Abschied nehmen von unkooperativen Klienten. Sie können nur gewinnen, wenn Sie Ihre Mitarbeiter fair unterstützen und damit Weiterentwicklung im Sinne von Leistungssteigerung ermöglichen.

Lesen Sie dazu auch "Ihre Kanzlei ist Ihre Klientenliste"
Oder nützen Sie für den Fall der Fälle das Muster Kündigungsschreiben aus dem Downloadbereich von www.stefanlami.com.


Faire Mitarbeiterbewertungen sind möglich. Die Zahlen bilden einen guten Teil der Leistungsrealität ab. Für faire Bewertungen sind allerdings immer Sie und Ihre Kompetenzen in der Kanzlei- wie in der Mitarbeiterführung gefragt. Erst im Gespräch mit Ihren Mitarbeitern können Sie erfahren, wie Sie Leistung vollumfänglich und damit fair bewerten können.

Im Beitrag verwende ich der besseren Verständlichkeit wegen die Berufsbezeichnungen "Abschlussmitarbeiter" und "Finanzbuchhalter", obwohl meiner Einschätzung nach "Klientenbetreuer Steuerberatung" und "Klientenbetreuer Rechnungswesen" richtig wäre.

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Lesen Sie dazu den Beitrag "Zurück in die Zukunft" und sehen Sie auf stefan.in.motion den Beitrag "Der Paradigmenwechsel in der Steuerberatung".