Das einzigartige Verkaufsargument (Unique Selling Proposition – USP) ist ein viel besungener Marketingbegriff. Unbestritten ist dessen enorme Wirkung. Unbestritten ist auch die Schwierigkeit, eine derartige Einzigartigkeit zu erreichen und sie dauerhaft zu halten. Die Aussage „Sich am Markt von den Mitbewerbern zu unterscheiden, ist DAS Erfolgskriterium für eine Steuerberatungskanzlei“ erhält enorme Bestätigung in der Branche (Bei einer Kurzumfrage im Rahmen des Kanzlei.Management.Forums war die Zustimmung zu dieser Aussage über 90 %.).

Mandanten von Steuerberatungskanzleien sehen die Marketingwelt der Alleinstellung allerdings unter einem vollständig konträren Winkel. Und deren Meinung ist ja nicht ganz unerheblich. Die Ergebnisse aus Mandantenbefragungen  sind nicht nur überraschend. Nein, sie stellen bisher geltende Marketinggrundsätze sogar in Frage. Hier die Ergebnisse  dreier Studien aus den USA, Deutschland und Österreich.

1.    How Clients Buy – USA

In regelmäßigen Abständen werden mehrere tausend Entscheider nach deren Kriterien für die Auswahl eines freiberuflichen Anbieters befragt. Im Wesentlichen, so das Ergebnis der Studie, sind es die folgenden 12 Punkte:

1.    Verlässlichkeit - Reliability. Do what you say you are going to do, and be on time about it. (This is first because it's so important. If only the service providers I've worked with in my life were better at keeping their commitments...)

2.    Erreichbarkeit - Accessibility
. Be there when I need you.

3.    Wirksamkeit - Impact.
Help me buy the most helpful and impactful services from you, and help me translate your services into success for my business in my industry.

4.    Passgenaue Leistungen - Fit. Be a good fit for the specific needs that I have. If you're not the best fit, help me find a provider that is. Don't shoehorn your service into something that, in the end, won't meet my needs as well as something else.

5.    Bedeutung - Importance.
Make me feel like we are, as a client, important to you and your team.

6.    Service - Service.
Deliver great service as well as great services.

7.    Umsicht - Prudence.
Be careful and do your homework before you suggest a course of action for me.

8.    Aktualität - Research.
Stay on top of the developments and trends in your industry and in mine.

9.    Zuhören - Listening.
Understand my business, my team, and my clients so you can come up with ideas relevant to me.

10.    Lernen und Entwickeln - Teaching.
Help me understand what you’re doing. I might not be an expert in your area, but I’m pretty bright and I make the decisions here. Help me understand what's new in your area of expertise so I can apply that knowledge in my business.

11.     Effizienz - Business Management. Run an efficient operation and constantly improve so I don't pay for your inefficiency.

12.     Beziehung - Relationship Management.
Be pleasant and fair, and work with me through communication or other breakdowns on your end or mine. In essence, treat me like a person.

Es sind ausschließlich Basismerkmale, die von diesen Entscheidungsträgern gefordert werden. Von Alleinstellung, Unterscheidung und Besonderheit ist nie die Rede. Ist das nur in den Vereinigten Staaten so?

2.    Brennpunkt Steuerberatung - Deutschland

Auf die Frage „Welche Eigenschaften schätzen Sie an Ihrem Steuerberater besonders?“ antworteten deutsche Unternehmer


Das Resümee der Studie sollte man sich Wort für Wort auf der Zunge zergehen lassen: „ … Der Wunsch-Steuerberater der befragten Mandanten ist laut Studie zuverlässig und für sie gut erreichbar, er nimmt sich für sie angemessen Zeit und unterbreitet von sich aus sinnvolle Lösungsvorschläge, die er verständlich und prägnant erklärt. Mandanten schätzen es auch, wenn Steuerberater und ihr Team es verstehen, eine freundliche, zuvorkommende Atmosphäre in der Kanzlei herzustellen …“

Liegt die Latte der Erwartungen an den Steuerberater so tief? Reicht bereits das Erfüllen der hier angeführten Merkmale um der Wunsch-Steuerberater zu sein? Von Differenzierung ist auch hier keine Spur. Ist es um die Branche in Sachen Mandantenorientierung so schlecht bestellt, dass ein Steuerberater schon mit diesen grundsätzlichen Leistungskriterien punkten kann? Ist das lediglich eine Besonderheit in Deutschland? Antworten Unternehmer in Österreich, wo der Steuerberatungsmarkt in Sachen Wettbewerbsrecht deutlich deregulierter als in Deutschland ist, anders?

3.    Umfrage der Kammer der Wirtschaftstreuhänder - Österreich

Diese aufwändige Befragung, bei der sowohl von Steuerberatern als auch Mandanten anonym zu vielfältigen Fragen der Branche die Meinung eingeholt wurde, brachte im hier bearbeiteten Zusammenhang ein erstaunliches Ergebnis: „Steuerberatung“ und „Vertretung bei Betriebsprüfungen“ wurden von Mandanten mit großem Vorsprung als jene Leistungsbereiche genannt wurden, die in Zukunft wichtiger werden. Die Leistungsbereiche „Planungsrechnung, Budgetierung und Controlling“, „Gründungs- und Umgründungsberatung“, „Unternehmensberatung“, die Steuerberater als zukünftig wichtig gesehen hatten, lagen aus Mandantensicht deutlich hinter den beiden oben genannten Kernkompetenzen des Steuerberaters.

Die damit ausgedrückte Botschaft ist ziemlich eindeutig und klar: „Liebe Steuerberater, macht das, was ihr auf dem Kanzleischild stehen habt, einfach gut. Weitere Leistungen bzw. Differenzierungsmerkmale spielen für uns nur eine sekundäre Rolle.“

Was nun? Was tun?

Die beschriebenen Ergebnisse könnten Anlass geben, sich einfach zurück zu lehnen. Mit der Erfüllung von Grundmerkmalen könne man doch in der Steuerberatungsbranche weiter erfolgreich existieren. So ein durchaus möglicher Schluss aus diesen Studien. Diese Ansicht ist allerdings eine trügerische. Marktstudien, Befragungen und Analysen sind wie ein Rückspiegel beim Autofahren. Nicht nur, dass sie nach hinten gerichtet sind, man also nicht erkennen kann, wo die Reise hingeht, sondern auch die bekannte Aufschrift im Spiegel „Objekte im Rückspiegel sind näher als sie erscheinen“ trifft auf Meinungsumfragen zu. Bereits vorhandene zarte Pflänzchen sich abzeichnender Entwicklungen werden schneller wachsen, als es im Moment vorstellbar ist.

Die Festigung und Perfektion der Grundmerkmale erfolgreicher Steuerberatung ist lediglich der unbedingt notwendige Grundstein. Das zu erreichen ist schwierig genug und – so meine Einschätzung – bereits ein Unterscheidungsmerkmal. Das ist eine wesentliche Erkenntnis aus den Studien. Erst darauf aufbauend sind weitere Schritte der Unterscheidung sinnvoll und möglich.

Der Frosch, der im Brunnen sitzt, beurteilt das Ausmaß des Himmels nach dem Brunnenrand. (chinesisches Sprichwort). Springen Sie auf Ihren Brunnenrand!

1) Michael Schultz, John Doerr, Andrea Meacheam: How Clients Buy: The Benchmark Report on Professional Services Marketing and Selling from the Client Perspective. 2008.
2) Maria A. Musold: Brennpunkt: Steuerberater. Der Wettbewerbsfaktor Servicequalität: Fakten, Trends, Empfehlungen, Perspektiven. Straßenberger Konsens-Training®. Aalen. 2008.
3) Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Wien im März 2007 – an der Gestaltung dieser Umfrage durfte ich mitarbeiten

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Entwurf zum Kapitel "Die Macht des Unterschieds" - ein Buchprojekt mit dem Arbeitstitel "Kanzlei der Zukunft" - 2011 mit dem NWB-Verlag (Deutschland) und Linde Verlag (Österreich)