Kritik üben, damit Entwicklung möglich wird

„Mir ist da etwas aufgefallen. Willst du es hören?“ mit diesem Satz konfrontieren uns gute Freunde und manchmal auch gute Chefs. Tatsächlich gibt es viele Verhaltensweisen, die wir an uns selber nicht wahrnehmen, die anderen aber sehr wohl. Das gilt für positive Dinge und genau so für negative Verhaltensweisen, die wir - von uns selbst unbemerkt - an den Tag legen.

Wir selbst bemerken gar nicht, dass wir z.B. unser Gegenüber – sei es nun unser Partner, oder ein Kunde – beim Sprechen gar nicht anschauen, dass wir, obwohl wir gerade telefonieren, gleichzeitig auch noch E-Mails abrufen oder mit grantigem Gesicht jeden Morgen an unserem Arbeitsplatz ankommen. Die Psychologie spricht von unserem blinden Fleck. Nun ist dieser blinde Fleck bei jedem Menschen von unterschiedlicher Größe und Ausprägung. In Kommunikationsseminaren gehört regelmäßiges Feedback zum Tagesgeschäft. Teilnehmer und Trainer beobachten Teilnehmer bei Rollenspielen und Übungen und berichten ihre Eindrücke. Ziel des professionellen Feedbacks ist es, dass es Lernen und Entwickeln ermöglichen soll.

Feedback ist immer ein Geschenk

Wer dauerhaft gut, produktiv und erfolgreich mit anderen Menschen zusammenarbeiten will oder gelungene private Beziehungen gestalten will, kommt nicht umhin regelmäßig seine Sicht der Dinge mitzuteilen. Die Bereitschaft offen Feedback zu geben und auch zu empfangen hält sich aber leider häufig in Grenzen. Halten Sie es mit dem Spruch „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“. Feedback ist wahrlich als Geschenk zu betrachten und wie das mit Geschenken so ist, machen sie manchmal nicht nur dem Schenkenden Kopfzerbrechen, sondern auch dem Beschenkten.

Wer Feedback gibt, gibt immer etwas über sich selbst preis. Wie er etwas wahrnimmt. Er bezieht damit Standpunkt, er legt sich damit fest und öffnet damit dem anderen einen Einblick in die eigene Wahrnehmung. So etwas ist riskant und nur in einem wohlwollenden Umfeld vernünftig. Wer Feedback bekommt, ist damit nicht immer glücklich, gleich wie bei Geschenken, die uns nicht wirklich freuen.

Feedback geben kostet Mühe

Viele Missverständnisse, Konflikte und schleppende Beziehungen könnten vermieden werden, wenn wir offener über unsere Wahrnehmungen reden und mehr Feedback geben und einholen würden. Es gibt allerdings „gute“ Gründe, warum wir es leider oft nicht tun. Professionelles Feedback zu geben, ist mit Aufwand und Anstrengung verbunden. Es kostet Zeit und Mühe, das Feedback nachvollziehbar für unseren Gesprächspartner zu formulieren, wenn es zu Veränderung führen soll. Es bedeutet eine emotionale Anstrengung, es zu kommunizieren und trotz aller Mühe, weiß man ja doch nie genau, wie der andere darauf reagieren wird. Höflichkeitshalber sagen wir daher oft lieber nichts.

Positives Feedback vs. Negatives Feedback

Wir alle hören gerne, wenn andere uns loben und anerkennen. Sie bestätigen uns damit in unserem Verhalten:„Es ist gut so, wie du das machst!“. Das tut gut und stärkt unser Selbstbewusstsein. Schwieriger wird es mit dem Annehmen von kritischen Hinweisen. Auch wenn jemand alle Feedbackregeln einhält und einfühlsam mit uns kommuniziert, so macht er uns doch darauf aufmerksam, dass wir etwas tun, womit wir nicht so gut ankommen oder beim anderen Frustration oder Ärger auslösen. Das ist mitunter entmutigend, es kann wehtun, peinlich sein oder groben Widerstand bei uns auslösen. Niemand wird gerne korrigiert.

So gut uns positives Feedback tut, so wertschätzend sollten wir mit dem negativen Feedback umgehen. Denn nur diese kritischen Hinweise ermöglichen es, uns persönlich weiter zu entwickeln und unseren blinden Fleck etwas zu verkleinern. Es zwingt uns gerade dazu, unsere Sicht der Dinge zu erweitern und uns als Person weiter zu entwickeln.

4 Regeln für den Feedbackgeber

Die positiven Wirkungen von Feedback liegen darin, störende Verhaltensweisen zu korrigieren und die Zusammenarbeit oder Beziehungen insgesamt gelingender zu gestalten. Feedback anzunehmen, ist nicht unbedingt leicht, weil es letztendlich auf eine Veränderung von Verhalten zielt. Die große Kunst dabei ist: Wie sage ich einem Menschen, wie ich ihn sehe, ohne ihn dabei zu verletzen.
Vier Grundsätze sollen es Ihnen leichter machen:

1. Seien Sie möglichst beschreibend, nicht wertend
Stellen Sie sich vor, sie sind ein Reporter und haben die Aufgabe Ihren Zuhörern eine bestimmte Situation zu schildern. Beziehen Sie sich in Ihrem Feedback nur auf das von Ihnen sichtbare Verhalten. So kommen Sie weniger in Versuchung, darüber zu reden was Ihnen gefällt oder missfällt. Interpretation und Bewertung bleiben damit außen vor.

Achtung! Lob und Kritik sind nahezu immer Bewertungen. Negative Bewertungen und Interpretationen lösen schnell Widerstand aus, weil sie die Person beurteilen, nicht selten verurteilen.

2. Seien Sie konkret, nicht allgemein
Wenn Sie Verallgemeinerungen und pauschale Aussagen machen, kann der Angesprochene kaum darauf reagieren oder wissen, was Sie als störend empfinden. Feedback anzunehmen ist einfacher, wenn Sie ganz konkret eine Sache ansprechen. Das braucht Mut, Mut zur Deutlichkeit. Dieser Mut fehlt uns manchmal und wir neigen zu Untertreiben „So schlimm ist es ja auch wieder nicht“, was den andern wenig dazu bewegt, sein Verhalten zu überdenken oder gar zu ändern. Oder, weil wir mit unserem Feedback ohnehin schon lange zugewartet haben, übertreiben wir. Die Übertreibung macht es für unseren Gesprächspartner ebenso schwierig, sein Verhalten zu ändern. Ganz im Gegenteil, je vorwurfsvoller wir etwas schildern „Immer machst du …“ Jedes mal bist du ….“, desto mehr sorgen wir für Abwehr und Diskussion. Unsere Botschaft muss exakt zu verstehen sein, damit klar ist, wo wir uns Veränderung wünschen.

3. Sprechen Sie verbindlich per „Ich“
Übernehmen Sie für das was Sie sagen die Verantwortung. Sprechen Sie von Ihren Eindrücken und Wahrnehmungen und nicht von denen anderer. Also keinerlei Formulierungen mit „wir“ oder „man“. Authentische Ich-Botschaften sind für den Empfänger deshalb so wertvoll, weil sie ihm Dinge mitteilen, zu denen er von außen keinen Zugang hat.

  • Mir ist aufgefallen, dass …
  • Ich habe gesehen …

und nicht

  • Man konnte sich nicht sicher sein …
  • Wir fühlten uns nicht angesprochen …

oder auch nicht

  • Sie sind …
  • Ihr Stil ist …
  • Hinter Ihrem Verhalten steht …

Eine vollständige Ich-Botschaft ist eine emotionale Äußerung. Sie benennt, wie ich das Verhalten des anderen erlebe und was es für mich bedeutet. Gerade diese emotionale Komponente macht das Feedback geben schwer, löst aber gleichzeitig auch beim Angesprochenen Betroffenheit aus.

  • Mir ist aufgefallen, dass Sie bei unseren letzten drei gemeinsamen Meetings jedes Mal zu spät gekommen sind. Für mich ist Pünktlichkeit eine Wertschätzung meinem Gesprächspartner gegenüber. Wenn Sie zu spät kommen, habe ich das Gefühl, dass Ihnen unser Termin nicht wichtig ist …

4. Geben Sie konstruktives Feedback
Feedback darf nicht verwechselt werden mit Nörgeln und Lästern. Das ist eine relativ einfache Übung. Feedback geben heißt nicht „sein Fett abzubekommen“, sondern es geht darum, den anderen so „rückzufüttern“, dass es ihm gut bekommt, dass es ihn anreichert. Feedback soll ein Geschenk sein, das der andere annehmen kann. Feedback soll sich auf Verhaltensweisen beziehen, die der Empfänger ändern kann. Konstruktives Feedback benennt daher alternative Handlungsweisen, eigene Wünsche und Vorstellungen aber auch zu erwartende Konsequenzen. Es überlässt jedoch dem Angesprochenen die Entscheidung, ob er letztendlich sein Verhalten ändert oder nicht.

  • … Mir ist wichtig, dass wir auch in Zukunft gut zusammen arbeiten können. Deshalb bitte ich Sie, auf die Zeit zu achten.

Wünsche, Bitten, Erwartungen und Forderungen können erfüllt werden. Urteile, Beschuldigungen, Vorwürfe, Verallgemeinerungen und Übertreibungen hingegen nicht.

4 Regeln für den Feedbacknehmer

Denken Sie daran: Feedback zu bekommen ist ein Geschenk. Viel öfter kommt es vor, dass wir keine Rückmeldung bekommen. Aus oben genannten Gründen, weil es für den Feedbackgeber riskant ist seine Sichtweise bekannt zu geben, weil es Mühe bereitet es zu formulieren und weil es eine emotionale Anstrengung bedeutet jemandem seine Meinung zu sagen und sich damit selbst verletzbar zu machen.

1. Hören Sie einfach zu
Lassen Sie den anderen zunächst einfach einmal ausreden. Sie können ja nicht wissen, was er sagen will, bevor er nicht zu Ende gesprochen hat. Zuhören bedeutet immer Wertschätzung dem anderen gegenüber.

2. Rechtfertigen Sie sich nicht
Der Andere beschreibt, wie Sie auf ihn wirken. Er spricht von seiner Meinung und die gilt es zu respektieren, auch wenn sie nicht der eigenen entspricht. Sie können, wenn Sie wollen daraus lernen. Wichtig ist zu verstehen, was der andere meint. Sie können durchaus Verständnisfragen stellen, aber versuchen Sie nicht ,sich zu rechtfertigen.

Prüfen Sie Ihr Verhalten in ähnlichen Situationen nach. Können Sie es bestätigen oder nicht? Hat Ihnen jemand anderer schon einmal etwas Ähnliches gesagt? Fragen Sie andere Personen, denen Sie vertrauen nach deren Eindrücken. Bleiben Sie aber sich selbst gegenüber.

3. Danke!
Bedanken Sie sich für das Feedback das Sie bekommen, auch wenn es nicht in der richtigen Form gegeben wurde. Es hilft Ihnen sich selbst und die Wirkung auf andere kennen zu lernen. Bedenken Sie „Ich kann nicht sehen, was ich nicht sehen kann“. Die Rückmeldungen von anderen erhalten Informationen, zu denen Sie selbst keinen Zugang haben.

4. Entscheidung treffen
Lassen Sie das Feedback wirken und sortieren Sie zu einem späteren Zeitpunkt, was Sie annehmen wollen oder nicht.

Resümee

Feedback geben und Feedback nehmen sind keine Selbstverständlichkeiten. Wenn wir uns das bewusst machen, sind wir eher bereit auch kritisches Feedback wert zu schätzen. Unsere Aufgabe ist es, das Feedback nach seinem Informationsgehalt für uns zu beurteilen und nicht gleich zu denken: Was meckert der schon wieder mit mir?
Ganz im Gegenteil: Dem anderen ist es der Mühe wert, mir seine Meinung zu sagen, auch wenn es für ihn mit Anstrengung verbunden ist, mit der Absicht mir Entwicklung zu ermöglichen.