Das Sprichwort „Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu" bedeutet, dass Menschen, die bereits erfolgreich sind oft noch mehr Erfolg oder Unterstützung anziehen. Es ist ein Konzept, das oft mit dem Matthäus-Effekt verglichen wird, bei dem diejenigen, die bereits viel haben, noch mehr gewinnen.
Das Sprichwort bezieht sich auch auf die soziale Dynamik, bei der sich Menschen zu Gemeinschaften von Personen hingezogen fühlen, die bereits ähnliche Interessen oder einen ähnlichen Status haben. Menschen begeben sich oft zu Orten, Gruppen oder Kreisen, wo sie Gleichgesinnte finden, oder sie gehen zu Orten, die bereits über einen guten Ruf oder eine starke Reputation verfügen.
Die aktuelle Situation in Sachen Mitarbeitergewinnung
Die Gewinnung fähiger Mitarbeiter bleibt weiterhin eine der großen Herausforderungen im Berufsstand. Die aktuellen technologischen Entwicklungen werden zu keiner kurz- und mittelfristigen Erleichterung der Situation führen. Eine langfristige Prognose dazu ist extrem schwierig bis unmöglich. Die allgemein wirtschaftlich angespannte Situation ist für den Berufsstand durch mehr Bewerbungen aus Industrie, Gewerbe und Handel positiv in der Steuerberaterbranche zu spüren. Außerdem gibt es derzeit den Effekt, dass sich Mitarbeiter von überalterten Kanzleien ohne Nachfolger derzeit nach attraktiveren Arbeitgebern umsehen.
Insgesamt ist, so meine Beobachtung, während der letzten Monate dadurch eine leichte Entspannung im Zusammenhang mit der Gewinnung neuer Mitarbeiter in der Branche festzustellen. Allerdings, es profitieren von dieser Entspannung nicht alle Kanzleien gleichermaßen.
Erfolg zieht an
Jene Kanzleien, die die letzten, in Bezug auf Mitarbeitergewinnung harten Jahre sehr intensiv an der Professionalisierung der Gewinnung, Entwicklung und Führung von Mitarbeitern arbeiteten, ernten jetzt die Früchte dieser Anstrengungen. Sie finden relativ leicht neue fähige Mitarbeiter. Was ich unter „Professionalisierung“ verstehe finden Sie in vielen Beiträgen meiner Homepage. Wie z.B. Der Kern erfolgreicher Mitarbeitergewinnung oder Mitarbeitersuche wirklich ernst und weiteren 180 Beiträgen zur wirksamen Mitarbeiterführung
Dieser Zusammenhang ist aus meiner Sicht offensichtlich.
Besonders leicht in Sachen Mitarbeitergewinnung tun sich jene Kanzleien, die auch wirtschaftlich außergewöhnlich erfolgreich sind. Diese Kanzleien können u.a.
- höhere Gehälter bezahlen
- eine modernere, angenehmere Arbeitsumgebung schaffen
- durch ihr Wachstum individuelle Karrieren ermöglichen
- Aus- und Fortbildungsbudgets anbieten
Aus meiner Sicht, wird der Zusammenhang von Kanzleierfolg und Mitarbeitergewinnung noch zu wenig beachtet. Erstens von jenen Kanzleien, die sich zwar große Mühe bei der Mitarbeitersuche, z.B. durch verstärkten Einsatz der Social-Media-Tools geben, und trotzdem keine passenden Mitarbeiter finden.
Zweitens, allerdings auch von jenen Kanzleien, die Erfolge bei der Mitarbeitersuche erzielen.
Möglicherweise tue ich mit meiner Sichtweise nun einigen Kanzleien unrecht: Die erste Gruppe kann selbst durch noch intensiveres Bespielen der verschiedenen Kanäle den vorhandenen Nachteil des nicht professionellen Kanzleimanagements nicht wettmachen. Es fehlt die Grundlage: Der Kanzleierfolg; d.h. gesundes Wachstum, die wirklich attraktiven Klienten, die Möglichkeit für ausgezeichnete Gehälter, etc. Diese Kanzleien sollten vorrangig daran arbeiten, als Kanzlei tatsächlich und wirklich erfolgreich zu werden. Eine mögliche Betrachtungsweise von Erfolg in der Steuerberatung finden Sie anhand der acht Komponenten im Beitrag Was ist Erfolg in der Steuerberatungskanzlei? mit allen dort weiterführenden Hinweisen zu den acht Komponenten des Erfolgs.
Die zweite Gruppe, Kanzleien mit ausreichend Bewerbungen, lässt aus meiner Sicht auch noch viele Chancen liegen, da sie viel zu wenig die bestehenden Kanzleierfolge gegenüber dem Mitarbeitermarkt kommuniziert. Bitte überprüfen Sie Ihre Botschaften an den Bewerbermarkt hinsichtlich folgender Punkte:
- Attraktive Klienten, die extrem gut mit der Kanzlei zusammenarbeiten; was für Mitarbeiter ein wichtiges Merkmal ist.
- Hohes Maß an Produktivität, durch das Vermeiden von Leerläufen und Doppelgleisigkeiten durch klare Verantwortlichkeiten in der Kanzlei.
- Schnelles und effektives Feedback durch die Führungskräfte.
- Eine klare Strategie mit Schwerpunkten, in denen sich Mitarbeiter entfalten können.
- Eine Organisationsstruktur, die Fach-, Experten-, Führungs- und Unternehmerkarrieren ermöglicht.
- Eine Art der Honorargestaltung, die den Klienten in den Vordergrund stellt und die Abrechnung nach Zeit keine große Bedeutung mehr hat.
Clevere Menschen möchten in erfolgreichen Kanzleien arbeiten. Woran können Bewerber die Erfolge Ihrer Kanzlei erkennen?
Beweise nicht Behauptungen
Der alte Marketinggrundsatz „es ist 1.000mal besser Kompetenz zu beweisen, als sie zu behaupten“ gilt auch für den Mitarbeitermarkt.
Es ist äußerst gefährlich, Erwartungen bei Bewerbern zu kreieren, die die Kanzlei dann nicht einhält. Daher stelle ich mir die Frage, wie weit sollten die Versprechen der Kanzleien an die Bewerber noch hochgeschraubt werden? Ich denke, die Kanzlei tut sich damit keinen Gefallen. Erstens nur Behauptungen aufzustellen, wie „toll“ der Arbeitsplatz ist und dann diese – nur – Behauptungen auch nicht zu erfüllen.
Wie wäre es dagegen, wenn es Kanzleien gelingt, den Beweis anzutreten? In einem realistischen Bild die Arbeitsaufgabe und -stelle zu zeichnen, mit durchaus auch kritischen, ehrlichen Aussagen von Mitarbeitern, Führungskräften und Klienten. Und wenn diese Erwartungen dann noch getroffen oder sogar übertroffen werden. So steigt die Wahrscheinlichkeit der Mitarbeiterempfehlung um ein Vielfaches. Besonders in den ersten Wochen wird am meisten über die neue Stelle gesprochen. Und auch in den ersten Wochen fällt sehr oft die Entscheidung, ob man bei diesem Arbeitgeber „alt wird“ – das heißt länger an Bord bleiben möchte.
Traditionelles – immer noch aktuell?
In mehreren Beiträgen habe ich darauf hingewiesen, sich in der Mitarbeiterführung auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bitte beachten Sie dazu u.a. Schöne neue Arbeitswelt in der Steuerberatung? und Spaß Freude Können Motivation
Außerdem möchte ich einen Beitrag aus dem Jahr 2007 in Erinnerung rufen: Die Liste Christine
Natürlich können Sie bei meiner Betonung der „traditionellen“ Werte jetzt entgegenhalten, dass es gravierende Unterschiede zwischen den Generationen gibt. In Steuerberatungskanzleien arbeiten heute häufig Mitarbeiter aus mindestens vier Generationen zusammen: Baby Boomer, Generation X, Millennials und Generation Z. Und unzweifelhaft gibt es zwischen diesen Generationen Unterschiede. Erfreulicherweise!
Meine Einschätzung ist allerdings, dass die Gemeinsamkeiten der Generationen größer sind, als die Unterschiede und alle – egal welchen Alters – soziale Wesen sind, die sich in der Gruppe, in der sie sich befinden, weiterentwickeln möchten.
Die vorhandenen Mitarbeiter bilden immer noch den stärksten Faktor bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter. Unabhängig vom Alter und natürlich eher in der gleichen Generation. Stellen Sie sich in Bezug auf die Mitarbeitergewinnung daher die Frage, wie das bestehende Team über die Kanzlei spricht. Können Sie von den Erfolgen der Kanzlei erzählen? Können Sie stolz auf ihre Leistung sein? Können Sie über den Zweck der Kanzlei sprechen?
Je mehr das bestehende Team über Kanzleierfolge spricht, desto wahrscheinlicher werden gute Initiativbewerbungen!
Differenzierung, damit Tauben zufliegen
Eine professionelle Mitarbeitersuche sollte zwischen den unterschiedlichen Zielgruppen unterscheiden. Die einfachste Unterscheidung ist:
- Schüler, Absolventen
- Quereinsteiger
- Profis, d.h. Berufserfahrene
Die Herausforderung und Kunst besteht darin, sich in die verschiedenen Bewerbergruppen hineinzuversetzen. Was suchen Menschen dieser Gruppen? Was spricht diese Gruppen an? Was können bestehende Mitarbeiter aus der jeweiligen Gruppe über die Kanzlei erzählen?
Schüler und Absolventen stellen sich vielleicht die folgenden Fragen:
- Bin ich der einzige Azubi/Lehrling in der Kanzlei?
- Falls es bereits mehrere Azubis/Lehrlinge gibt, wie integriere ich mich in diese Gruppe?
- Welche Programme und Herausforderungen gibt es für mich in der Kanzlei
Quereinsteiger könnten sich die folgenden Fragen stellen:
- Haben es bereits viele andere Quereinsteiger in dieser Kanzlei geschafft sich zu etablieren?
- Wie ist ihnen das gelungen?
- Wie kann ich möglichst schnell das fehlende fachliche Wissen erwerben?
- Wie kann ich erkennen, dass ich auf dem richtigen Weg bin?
Profis/Berufserfahrene sollten ihre Aufgaben bereits kennen. Ihnen ist möglicherweise wichtig zu wissen, was macht diese Kanzlei aus?
- Welche Klienten werden betreut?
- Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Kollegen?
- Wie ist der Erledigungsstand?
- Wie erfolgt die Bearbeitung mit den Klienten?
- Wie ist die interne Kommunikation organisiert?
Die sich aus diesen Fragen ergebende Aufgabe ist es, die Stärken der Kanzlei für die einzelnen Zielgruppen herauszuarbeiten. Und das Team zu stärken, diese Stärken auch zu kommunizieren.
Die bereits weiter oben getroffene Aussage „Clevere Menschen möchten in erfolgreichen Kanzleien arbeiten“ kann und sollte differenziert werden. Sie wird damit noch wirksamer. Clevere Menschen möchten in ihnen ähnlich erfolgreichen Gruppen arbeiten. Sie möchten Teil einer erfolgreichen Gruppe sein. So werden Ihrer Kanzlei die Bewerber zufliegen.
Abschließende Bemerkungen
Was in diesem Beitrag so einfach klingt, ist eine echte Marathon- und Mammutaufgabe: Bringen Sie zuerst Ihre Kanzlei auf Vordermann! In so gut wie jedem Aspekt des Kanzleimanagements. Das ist eine notwendige Voraussetzung. Erarbeiten Sie glaubhafte Strategien für die unterschiedlichen Zielgruppen von Bewerbern. Bleiben Sie konsequent, beharrlich. Die Anstrengungen lohnen sich, wenn Ihnen „Tauben zufliegen“.
Ein Tipp zum Schluss: Schnelligkeit für Bewerbungsgespräche. Führen Sie Bewerbungsgespräche so schnell wie möglich. Verzichten Sie auf umfangreiche Unterlagen/Lebensläufe vorweg. Führen Sie einfach ein außergewöhnlich gutes erstes Gespräch. Falls der Bewerber dort einen guten Eindruck hinterlässt, dann ist ein zweites Gespräch sowieso notwendig. Und falls der Bewerber nicht passt, so sollte das Gespräch so gut gewesen sein, dass der – abgewiesene – Bewerber positiv von Ihrer Kanzlei spricht und Sie als Arbeitgeber empfiehlt, trotz Ablehnung seiner Bewerbung. Bewerbungsgespräche werden so gut wie immer im Familien- und Freundeskreis weitererzählt.