In meiner Beratungsarbeit habe ich auffallend häufig mit Kanzleien zu tun, die in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen sind. Mehr Klienten, mehr Arbeit und wesentlich mehr Mitarbeiter sind die natürlichen Konsequenzen dieser Erfolgsgeschichten. Was dabei von den Einzelinhabern oder auch den Partnerkanzleien oft versäumt wird, ist die zeitgleiche strukturelle Entwicklung des eigenen Unternehmens. Aus einer Führungsspanne von ehemals fünf, sieben, zwölf Mitarbeitern werden so schnell einmal zwanzig, fünfundzwanzig bis dreißig zu führende Mitarbeiter. Dass dies von einer Führungskraft nicht mehr zu leisten ist, ist vielen Kanzleiinhabern klar und sie stehen der Einführung einer zweiten Führungsebene verspätet, aber doch offen und sehr positiv gegenüber – eigentlich.

Damit in Ihrer Kanzlei nicht ausschließlich nur der beste Buchhalter zum Leiter des Buchhaltungsteams wird, möchte ich Sie hier gleich an meinen Artikel „Wer wird Teamleiter? Kriterien für die Auswahl“ erinnern.
Eigentlich ist ein sehr schönes Wort, das man in den unterschiedlichsten Situationen benützen kann, um seine Zustimmung kund zu tun, um im nächsten Satz gleich seine Bedenken zu äußern. Es gibt einige Kollegen, die genau deswegen dieses eigentlich nicht mehr hören wollen. Der eigentlichen Überzeugung, dass Kanzleiinhaber und Partner in der Führung tatkräftige Unterstützung wollen, stehen dann Verhaltensweisen eben derselben im alltäglichen Kanzleiablauf gegenüber, die es den „jungen“ Führungskräften schwierig bis unmöglich machen, effiziente und für die Kanzleiführung entlastende Führungsarbeit zu leisten.

(Mit „jungen“ Führungskräften sind sowohl Menschen jung an Lebensjahren, wie auch Menschen jung an Führungserfahrung gemeint.)

Ober sticht Unter

Was Kartenspielern zum gewinnen hilft, führt leider im Spiel um Mitarbeiter und deren Leistung so gut wie immer zu Einbußen. Kanzleiinhaber und Chefs sind es gewohnt, einfach auf Mitarbeiter jederzeit zugreifen zu können und Arbeit zu übergeben. Dagegen ist eigentlich auch nichts einzuwenden, es sei denn Aufgaben und Verantwortung sind mit der Einführung einer zweiten Führungsebene ganz klar an einen Teamleiter übergeben worden. Eine derartige Vorgehensweise wirft jegliche Arbeitsplanung über den Haufen. Der Teamleiter kann sich nur übergangen fühlen. Noch drastischer wird es, wenn übergeordnete Chefs Entscheidungen kritisieren, umwerfen oder gar wieder rückgängig machen oder der Weg der Teammitglieder bei Problemen oder wichtigen Informationen am Teamleiter vorbei, direkt zum Chef führt.

Die Fachliteratur spricht von „drübersteuern“. Was harmlos klingt, auch aus keinerlei bösartiger Absicht passiert, führt langfristig zur Zerstörung des Führungssystems und letztendlich landet die Führungsarbeit genau da, wo schon vorher zu wenig Ressourcen waren – bei den Chefs. Führungsarbeit auf Teamleiterebene kann nur geleistet werden, wenn die strukturellen Voraussetzungen geschaffen und von allen respektiert werden. Dazu gehört, dass sich eine Kultur WIE und von WEM WELCHE Entscheidungen in Kanzleien getroffen werden, etabliert und an die jeweils betroffene Ebene kommuniziert wird:

Ich zuerst!

Ein Team innerhalb einer Kanzlei zu leiten, bedeutet per se schon, vielem und vielen gerecht zu werden. Der Personenkreis ist groß, wenn man bedenkt, dass es Klienten zufriedenzustellen gilt, den Teammitgliedern eine gute Führungsperson zu sein und den Anforderungen der Kanzleileitung gerecht zu werden. Ein buntes Portfolio an Ansprüchen und Erwartungen, dem sich junge Führungskräfte durchaus bewusst sind. Überbordend wird es allerdings speziell in Partnerkanzleien. Häufig haben die Partner in unterschiedlichen Aufgabenbereichen Verantwortung. Diese Bereiche lassen sich eigentlich theoretisch klar voneinander abgrenzen. In der täglichen Arbeit in der Kanzlei kommt es aber immer wieder zu Überschneidungen, Einmischungen oder gar Konflikten. Nur in sehr sorgfältig organisierten Partnerschaften schaffen es die Partner, die Zuständigkeitsbereiche sauber getrennt zu halten. Menschlich dabei ist, dass die Partner wiederum ihre jeweilige Führungsverantwortung (sehr) unterschiedlich wahrnehmen. Jeder hat womöglich andere Ansprüche an die Zusammenarbeit und die Art und Weise wie Aufgaben erfüllt werden sollen.

Die Folgen daraus liegen auf der Hand:

Der Diener mehrerer Herren zu sein, führt langfristig weit weniger zum Erfolg als eigentlich von allen erhofft. Die jungen Führungskräfte entwickeln daher Verhaltensweisen, um allen Eigenarten und Schwächen gerecht zu werden. Dass dabei die vereinbarte Führungsleistung gegenüber den Mitarbeitern zu kurz kommt, ist nicht schwer zu erraten.

Übrigens: Andere Hierarchieebene und gleiches Szenario. Immer dort, wo Mitarbeiter unterschiedlichen Teamleitern zugeordnet sind.

Die Work-Life-Bereiche als (un-)bestimmender Faktor

Unbestritten sind in der Steuerberater-Branche Frauen die zahlenmäßig dominierende Personengruppe, mit all den viel besprochenen Vorzügen und eben auch Einschränkungen. Viele Mitarbeiterinnen sind zusätzlich zur ihrer Berufstätigkeit für Haushalt und Familie verantwortlich. Sie arbeiten in den unterschiedlichsten Teilzeitmodellen, haben Heimarbeitsplätze oder sind auf Grund ihrer momentanen Lebenssituation Minijobberinnen.

In Teams mit einem geringen Anteil von Vollzeitbeschäftigten wird manchmal schon das Organisieren eines gemeinsam abgehaltenen Meetings zur logistischen Herausforderung. Führungsarbeit ist aber unabdinglich an die Möglichkeit zur Kommunikation gebunden. Bei strukturellen Gegebenheiten, die dies nur bedingt möglich machen, wird Führung nur bei hoher Selbstverantwortung aller Beteiligten wirksam. Sonst ist es oft entspannter, von Koordination oder Verwaltung – und nicht Führung – zu sprechen. Erst eine Mindestbindung an die Kanzlei bei einer ausreichenden Zahl an Vollbeschäftigen, macht Ansprüche an die jungen Führungskräfte, nicht zu wahnwitzigen Forderungen.

Hier ist strukturelle Gestaltung mehr als gefragt, bevor engagierten Leuten die Motivation abhanden kommt. Führung ist eben nichts, das auf der Basis von bestimmten Tools funktioniert.

Funktionale Tools, vereinbarte Regeln, die Anerkennung und Respekt von allen Seiten bekommen, müssen auf strukturelle Gegebenheiten treffen. Dazu das melodische Zusammenspiel konsequenter Chefs und selbstverantwortlicher Mitarbeiter, macht die Arbeit von jungen Führungskräften in dynamischen Kanzleien erfolgreich.

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