Wo Menschen arbeiten, kommt es auch zu Fehlern. Es scheint, als wäre das eine wohl unabdingbar mit dem anderen verbunden. Soweit ist uns das allen nichts Neues. Wir haben, sowohl als Inhaber bzw. Mitarbeiter einer Kanzlei wie auch selbst, als Kunde von Unternehmen, dafür Verständnis und sind – im Normalfall – auch gewillt, darüber hinwegzusehen. Es gibt allerdings ein entscheidendes Kriterium, das uns letztendlich bewegt, eine Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten oder gänzlich abzubrechen: Wie reagiert ein Unternehmen, ein Verkäufer oder ein Handwerker auf unsere Beschwerde?

Nicht ausschließlich die Wiedergutmachung des Fehlers – das erwarten wir uns sowieso – , sondern wie wir als Mensch behandelt werden, entscheidet über Abbruch oder Weiterbestehen unserer Geschäftsbeziehung.

Beschwerden sind für alle Beteiligten unangenehm

Wer davon ausgeht, alleine das Entgegennehmen von Beschwerden sei eine unangenehme Sache, der irrt. Bis sich ein Klient tatsächlich beschwert, vergeht eine Zeitspanne, in der er sich ärgert, womöglich enttäuscht über eine mangelnde Dienstleistung negative Gefühle entwickelt, sich Unwillen anstaut und sich ein Gefühl ausbreitet, insgesamt schlecht behandelt worden zu sein. Und wer sich ungerecht behandelt fühlt, neigt zu ungerechtem Verhalten und dazu, entstandene Schwierigkeiten, Kosten, Zeitaufwand etc. zu dramatisieren.

Wer damit konfrontiert ist, Beschwerden entgegenzunehmen, fühlt sich oft als Blitzableiter. Gefühle, wie Ärger, Enttäuschung, Wut, Unwillen und Missmut werden häufig als persönliche Angriffe missverstanden. Der, der sich beschwert, fühlt sich üblicherweise im Recht. Diese Annahme setzt notwendigerweise auch jemanden im Unrecht voraus.

Die Folgen mangelhaften Beschwerdemanagements sind fatal

Untersuchungen beweisen: Ein unzufriedener Klient erzählt seine Kritik acht bis zehn weiteren Klienten, während ein zufriedener Klient seine positiven Erfahrungen nur an maximal drei potenzielle Klienten weitergibt. Allein diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, sich als Kanzlei mit aktivem Beschwerdemanagement auseinanderzusetzen.

Klienten, die sich bei der Behandlung einer Beschwerde nicht ernst genommen fühlen, kleben gewissermaßen Rabattmarken. Jede nun folgende Kleinigkeit erhält eine ebensolche Rabattmarke. Genau genommen hat der Klient seine innere Kündigung bereits vollzogen und wartet gewissermaßen nur noch auf eine für ihn passende Gelegenheit, die Geschäftsbeziehung aufzulösen und zur Konkurrenz abzuwandern. Der „Gegner Klient“ wird in der Regel nicht wiedergewonnen und der Aufwand zur Neuklientengewinnung steht in keinem Verhältnis zum entstandenen Schaden.

Beschwerden sind eine Chance

Wer Klientenzufriedenheit und Klientenorientierung als wichtige Werte seiner Kanzlei formuliert hat, kommt nicht umhin, diesen Perspektivenwechsel von Beschwerden als einem abzuwehrenden Problem  zu einer einmaligen Chance deutlich zu machen. Dass hierfür notwendigerweise die entsprechenden Ressourcen und Strukturen zur Verfügung stehen müssen, darauf komme ich später noch zu sprechen.

Ein Klient, der durch seine kritischen Hinweise zu den Dienstleistungen oder auch wegen Verhaltensweisen von Mitarbeitern auf Sie zukommt, signalisiert zunächst einmal eines ganz klar: Er will weiterhin mit Ihnen zusammenarbeiten, ansonsten würde er sich – Ausnahmen bestätigen die Regel – diese Mühe nicht machen. Eine Kanzlei, die zögerlich oder desinteressiert auf Beschwerden ihrer Klienten reagiert, zeigt eines auch in aller Deutlichkeit: Klientenzufriedenheit ist nur ein Lippenbekenntnis.

Beschwerdemanagement

Der Umgang mit Beschwerden stellt hohe Anforderungen an die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten. Der systematische und geplante Umgang mit Beschwerden gibt Ihnen und Ihren Mitarbeitern Sicherheit, wie Sie Beschwerden angemessen entgegennehmen und bearbeiten. Um das Management von Beschwerden zu vereinfachen, möchte ich Ihnen 10 Regeln als Unterstützung empfehlen.

Regel 1: Beschwerdenannahme

Wer mit einer Beschwerde konfrontiert wird, ist – vorerst jedenfalls – auch dafür verantwortlich. Das heißt nicht, dass jeder Mitarbeiter jede Beschwerde bearbeiten können muss. Aber er muss entscheiden können, welche Probleme er selbst lösen kann und welche er an Kollegen weiterleiten muss und von welchen auch Kanzleiinhaber/Partner informiert werden müssen. Daraus ergibt sich, dass Mitarbeiter, die im Kontakt mit Klienten stehen, Strategien kennen sollten, mit dem Ärger des Klienten umzugehen. Insbesondere sind hierzu Fähigkeiten in der mündlichen Kommunikation gefragt.

Regel 2: Verletzte Gefühle wollen ernst genommen werden

Bis zur tatsächlich vorgebrachten Beschwerde vergeht einige Zeit. Diese Zeitspanne ist gefüllt mit Enttäuschung und aufgeladen mit negativen Gefühlen. Zunächst einmal braucht ein aufgebrachter Klient Gelegenheit, Dampf abzulassen. Er ist verärgert und muss diesem Ärger Luft machen können. Auch wenn wir uns ein anderes Verhalten wünschen würden.

Erstaunlicherweise können sich Gefühle am schnellsten auflösen, wenn sie zugelassen werden können. Wer sein kommunikatives Verhalten auf solche Situationen hin geschult hat, kann sprachlich „den Stier bei den Hörnern nehmen“ und dem Beschwerdeführer gleichsam das Recht auf seine Gefühle zugestehen:

Regel 3: Aktiv zuhören

Was Sie in einer derartigen Gesprächssituation auf der Empfängerseite auf jeden Fall unternehmen können, um diese zu verbessern, ist, schlicht und einfach Ihrem Gesprächspartner mit voller Aufmerksamkeit zuzuhören. Dazu gehört, dass man diese Aufmerksamkeit durch Körperhaltung, Mimik und Ausdruckssignale deutlich zu erkennen gibt...

… und Anstöße zum Weiterreden gibt:

Regel 4: Empathie und Wertschätzung zeigen

Sie können ganz allgemein davon ausgehen, dass Menschen all ihre Aktivitäten unternehmen, um ein Gefühl zu produzieren, das angenehm für sie ist und keineswegs umgekehrt. Ganz einfach: Menschen wollen sich wohl fühlen!

Zeigen Sie Ihrem Gesprächspartner Wertschätzung, schaffen Sie damit eine Grundlage für eine rationale Betrachtung der Beschwerde, bei der Ihr Gesprächspartner freiwillig auf seinen Standpunkt verzichten oder ihn verändern kann. Wertschätzung bezieht sich hier sehr wohl auch auf das emotionale Befinden des Gesprächpartners. Wichtig: Wertschätzung bedeutet nicht automatisch Zustimmung.

Regel 5: Verstehen wollen – Vertrauen schaffen

In einer weiteren Stufe geht es darum, die Aussagen des Gesprächpartners treffend mit eigenen Worten wiederzugeben. Das Zusammenfassen dient nicht nur Ihrem Verständnis. Es hilft auch dem Gesprächspartner, seine Gedanken zu klären. Sie helfen ihm, auf den Punkt zu kommen.

„Sie sagen, es ist … "
„Wenn ich Sie richtig verstehe, geht es Ihnen vor allem darum, dass …“

Wenn die Wiedergabe genau genug war und der Gesprächspartner sich verstanden fühlt, gibt es eine typische Reaktion, die Ihnen deutlich signalisiert, dass Sie mit Ihrer Art der Kommunikation auf dem richtigen Weg sind:

„Ja, genau!“

Erst wenn jemand spürt, dass Sie ihn als Person ernst nehmen, wird er bereit sein, kooperativ auf der Sachebene mit Ihnen weiterzusprechen. So kann es Ihnen gelingen das verlorene Vertrauen wiederherzustellen.

Regel 6: Geben Sie dem Klienten Recht.

Wer sich beschwert, fühlt sich gemeinhin im Recht. Fehlende Wertschätzung des Gesprächspartners, lässt sich auch nicht durch Zugeständnisse auf der Sachebene ersetzen. Es gilt: Wer Recht erhält, muss sich deswegen noch lange nicht wohl fühlen. Dem Klienten Recht zu geben, bedeutet allerdings nicht, ihm zuzustimmen.

Regel 7: Gemeinsam Lösungen vereinbaren

Fragen Sie nach Vorschlägen, die die Zufriedenheit aus Klientensicht wiederherstellen könnten. Bieten Sie Lösungsvorschläge an und holen Sie sich die Zustimmung Ihres Gesprächpartners. Sie können die Gesprächsatmosphäre förderlich beeinflussen, wenn Sie die Zielvorstellungen durchgehend positiv formulieren. Beim positiven Sprechen wird statt Vergangenheitsbewältigung und Problemdenken die gesamte Aufmerksamkeit auf die Gestaltung der Zukunft gelegt und die lautet uneingeschränkt: 100 % Zufriedenheit des Klienten!

Ein einfaches Bespiel:

„Es ist uns unangenehm, wenn wir die Belege zu spät liefern.“
„Es ist uns angenehm, wenn wir pünktlich sind.“

Die positive Sprechweise führt beim Gesprächspartner üblicherweise zu spontaner Zustimmung. So entsteht im Gesprächspartner quasi von selbst ein positives Bild vom gewünschten Ziel.

Regel 8: Weitere Vorgehensweise abklären

Bei komplexen Problemstellungen ist es sinnvoll, alle weiteren Teilschritte klar zu vereinbaren, um erneute Missverständnisse von vornherein zu vermeiden. Der Klient muss wissen, was Sie unternehmen und was er gegebenenfalls selbst dazu beitragen kann, z.B. Unterlagen nachreichen etc.

Sollte es unerwartetereeise doch zu Verzögerungen kommen, empfiehlt es sich jedenfalls, den Klienten darüber zu informieren. Er muss spüren, dass Sie an seiner persönlichen Zufriedenheit interessiert sind und bleiben.

Regel 9: Sagen Sie „Danke!“

Beschwerdemanagement ist ein integraler Bestandteil der Klientenbindung. Ein Klient, der sich beschwert, sagt eigentlich: Ich bin trotz eines Fehlers an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert. Die Chancen stehen gut, dass ein Klient, dessen Beschwerde professionell, schnell und entgegenkommend gelöst wurde, nicht nur weiter Klient bleibt, sondern auch mit anderen darüber spricht. Auf diesem Wege können neben der Klientenbindung sogar weitere Neuklienten gewonnen werden.

Sagen Sie Danke! Spätestens hier, wenn Sie vorher noch keine Gelegenheit hatten.

„Danke, dass Sie uns die Gelegenheit geben, unser Angebot zu verbessern.“
„Danke, dass Sie auch weiterhin mit uns zusammenarbeiten wollen.“
„Danke, dass Sie uns die Chance geben, zu verbessern.“

… und aus einem Gegeneinander wird ein dauerhaftes Miteinander.

Regel 10: Fragen Sie nach

Ein Klient spürt Ihr Interesse am deutlichsten, wenn Sie nach vollständiger Bearbeitung einer Beschwerde nochmals bei ihm nachhaken, ob alles zu seiner Zufriedenheit erfüllt werden konnte. Aus Klientensicht gestaltet sich eine Beschwerde im Idealfall als sachlicher und emotionaler Erfolg: Er will sein Ziel erreichen und sich dabei noch wohl fühlen! Die meisten Klienten erwarten nicht, dass man sich nach einer Beschwerde noch einmal bei ihnen meldet, um nachzufragen. Durch ein nochmaliges Nachfragen fühlt jeder Klient sich wichtig und ernst genommen, und es gibt ihm das zufriedene Gefühl, dass Ihnen etwas an der Zusammenarbeit liegt.


Kanzleiinterne Ressourcen und Strukturen

Jede Beschwerde und vor allem deren Bearbeitung gehört von allen gehört. Ein professionelles Beschwerdemanagement lebt von diesen Schleifen. Die folgende Checkliste zeigt Grundsätze zu einem möglichen neuen Beschwerdemanagement auf:

Das Thema "Beschwerdemanagement" ist viel zu umfassend, als dass es in einem einzigen Beitrag dargestellt werden könnte. Gerne beantworte ich Ihre weiteren Fragen zu diesem Thema. Bitte schreiben Sie mir oder schreiben Sie an Christine Lindenthaler (sie hat sich umfassend mit dem Thema Beschwerdemanagement beschäftigt).