Mag. Stefan Lami - Steuerberatung - Unternehmensberatung

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6 konzentrische Kreise der Digitalisierung und Automatisierung in der Steuerberatung

Der Versuch einer Systematisierung mit konkreten Tipps und Maßnahmen

18.01.2017

Wenn es ein Thema in der Branche der Steuerberatung gibt, um das derzeit keiner – wirklich keiner – herum kommt, dann ist es Digitalisierung/Automatisierung. Lesen Sie dazu auch den Beitrag Automatisierung und Digitalisierung in der Steuerberatung, in dem ich über Missverständnisse, Irrtümer, Hindernisse und Hoffnungen geschrieben habe.

Die anstehenden Herausforderungen in diesem Zusammenhang waren weder in einem derartigen Ausmaß noch in einer derartigen Geschwindigkeit jemals für den Berufsstand gegeben. Bisherige Lösungsmethoden werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht helfen, denn die sich aus der stattfindenden Transformation vollkommen neuartig ergebenden Herausforderungen können mit den bisher bewährten Methoden nicht gelöst werden. Insofern ist die vorhandene und gut spürbare Unsicherheit im Beruf gut nachvollziehbar.

Um etwas mehr Klarheit – und damit soweit wie möglich Sicherheit – in diesem noch nie erlebten Transformationsprozess zu schaffen, versuche ich im Folgenden, die möglichen Schritte zur Bewältigung der Transformation in eine Struktur zu bringen.

6 konzentrische Kreise

  • Die Bewältigung der Digitalisierung/Automatisierung in der Steuerberatung kann in 6 logisch aufeinanderfolgenden Schritten geschehen. Diese Abfolge sehe ich wie konzentrische Kreise. Wie die Wellen, die ein auftreffender kleiner Tropfen auf der Wasseroberfläche erzeugt. Warum?
  • Der erste – innerste – konzentrische Kreis, der Nukleus, ist der Ausgangspunkt für alle weiteren Entwicklungen. Ohne diesen konzentrischen Kreis bewältigt zu haben, werden die übrigen Schritte wenig erfolgversprechend sein.
  • Die konzentrischen Kreise sollen die Größe der Herausforderung ausdrücken. Der innerste ist noch relativ leicht zu bewältigen, während die weiter außenliegenden Kreise immer noch schwieriger zu erledigen sind.
  • Genau gleich verhält es sich mit der damit zusammenhängenden Wirkung. Die Wirkung des größten (sechsten) konzentrischen Kreises ist enorm. Und sie ist derzeit auch noch gar nicht im gesamten Ausmaß abschätzbar.
  • Die konzentrischen Kreise symbolisieren auch den Abstand zum bisherigen Kerngeschäft des Steuerberaters. Je größer – weiter nach außen – desto größer ist die Distanz zur bisherigen Tätigkeit.

Sicher gibt es auch andere Möglichkeiten, um den stattfindenden Transformationsprozess in eine logische Struktur zu bringen. Die 6 konzentrischen Kreise sind in zahlreichen Gesprächen mit Kollegen auf großes Verständnis gestoßen und wurden als nützlich beurteilt. Was mich natürlich sehr freut.

 

Der erste konzentrische Kreis – "Das vollautomatisierte eigene Rechnungswesen in der Steuerberatungskanzlei"

Wo startet der digitale Transformationsprozess im Rechnungswesen? Natürlich im Rechnungswesen der eigenen Kanzlei! Jede moderne Kanzlei sollte über ein vollautomatisiertes und digitalisiertes Rechnungswesen verfügen. Was heißt das?

  • Elektronischer Versand der Honorarnoten an die Klienten. Die vorhandene Verpflichtung zur eigenhändigen Unterschrift auf Honorarnoten durch einen Berufsträger in Deutschland kann mittels einer Einverständniserklärung des Klienten vermieden werden. Ist es nicht verrückt, den Klienten von der Digitalisierung überzeugen zu wollen, ihm trotzdem die Honorarnoten auf Papier zu schicken, damit er sie einscannt und sie dann digital dem Steuerberater wieder zur Verfügung stellt?
  • Digitaler Erhalt der Eingangsrechnungen. Ein Musterschreiben für diese geänderte Vorgangsweise mit Ihren Lieferanten finden Sie hier>>>. Daran schließt der digitale Prüflauf der Eingangsrechnungen an. Die Verbuchung der Eingangsrechnungen kann dann weitestgehend automatisch erfolgen. Die OCR-Schrifterkennung ist ein – noch notwendiger – Zwischenschritt bis zu den bald flächendeckend vorhandenen, echten elektronischen Rechnungen (in Form eines Datensatzes).
  • Automatische Verbuchung aller Honorarnoten als Mindestmaß an möglichen Automatik-Buchungen. Daneben weitestgehend automatische Buchungen für Abschreibungen, Abgrenzungen, etc.
  • Vollständige Übernahme der Bankdaten durch sorgfältige Pflege der vorhandenen Lerndateien/Lernprogramme.
  • Übernahme von Kassendaten aus dem elektronischen Kassenbuch.
  • Tagfertige Buchhaltung – oder maximal wöchentlicher Buchungsrhythmus.
  • Automatisierter Mahnlauf und digitaler Versand der Mahnungen.
  • Elektronischer monatlicher Lohnausweis für Ihre Mitarbeiter; Versand per E-Mail oder Upload in Portale (Cloudlösung).
  • Die BWA und Controlling-Reports der Kanzlei nur in digitaler Form.
  • Nutzung von Cloud-Lösungen für Ihre eigenen Rechnungswesendaten.
  • Alle Kanzleidokumente in einem DMS.
  • Digitaler, elektronischer Posteingang, Postausgang – und elektronische Fristenkontrolle.

Außerdem verfügen alle Arbeitsplätze der Kanzlei über mindestens 2 Bildschirme; 3 Bildschirme sind state-of-the-art!

Natürlich wird es noch einige Klienten geben können, die den Transformationsprozess nicht in dieser Intensität und Geschwindigkeit mitmachen werden. Ich höre ja in Kanzleiworkshops immer wieder von Klienten, die nicht einmal über eine E-Mail-Adresse verfügen. Diese Ausnahmen machen den Veränderungsprozess natürlich schwieriger. Sie sollten sich deswegen jedoch nicht abbringen lassen. Bleiben Sie beharrlich, sprechen Sie mit den Klienten. Und selbst, wenn diese Klienten Sie verlassen möchten, weil sie sich in der Zusammenarbeit mit Ihnen nicht verändern wollen, können Sie gelassen und selbstsicher bleiben. Denn auch diese Klienten werden in kurzer Zeit bei jedem – modernen – Steuerberater auf eine ähnliche Art der Zusammenarbeit treffen. Insofern ist es doch besser, wenn diese – im Moment veränderungsunwilligen – Klienten, die unzweifelhaft anstehenden Veränderungen mit einem vertrauten Berater, mit Ihnen also, vornehmen.

Der erste konzentrische Kreis ist eine Voraussetzung für alle weiteren Kreise. Er ist

  • ein Muss für Ihre Glaubwürdigkeit. Wie wollen Sie Ihre Klienten überzeugen, wenn Sie im eigenen Unternehmen nicht mit optimierten Prozessen arbeiten?
  • ein Muss für die Effektivität und die Effizienz des eigenen Rechnungswesens. Sie schaffen Freiräume für wertschöpfende Tätigkeiten.
  • Ihr Labor für die Geschäftsprozessoptimierung. Sie haben in Ihrer Kanzlei alle Prozesse selbst in der Hand, können alles steuern. Außerdem erleben Sie die auftretenden Schwierigkeiten an der eigenen Haut. Sie werden erfahren, dass mit hartnäckiger Suche immer Lösungswege gefunden werden können.

Die zentrale Maßnahme für die Umsetzung ist ein intensives Gespräch mit Ihrem Kanzlei-Software-Lieferanten, in dem Sie alle vorhandenen Möglichkeiten in Bezug auf die oben beschriebenen Maßnahmen ausloten und einen Fahrplan der Implementierung beschließen … und ihn dann natürlich auch realisieren.

"Practice What You Preach" lautet das Motto, die Devise, des ersten konzentrischen Kreises.

 

Der zweite konzentrische Kreis – "Die Nutzung aller Potenziale der in der Kanzlei vorhandenen Anwendungen in der Bearbeitung der Klientenaufträge"

Mit der Beschäftigung bzw. Erledigung des Maßnahmenbündels des ersten konzentrischen Kreises haben Sie als Inhaber, Partner einer Steuerberatungskanzlei ein gutes Gefühl entwickelt, wie weit Digitalisierung/Automatisierung im Rechnungswesen möglich ist. Der nun folgende logische Schritt ist, diese Erkenntnisse auf alle Klientenaufträge zu übertragen.

Der Startschuss dafür ist, dass die vorhandenen Potenziale der vorhandenen Anwendungen so weit wie möglich von allen im Team genutzt werden. Diese sind im Regelfall deutlich größer als auf den ersten Blick angenommen. Welche sind es?

  • Das Kennen und Nutzen der vielfältigen Tools der Office-Anwendungen. Outlook, Excel etc. sollten von allen Mitarbeitern nicht nur „für das Notwendigste“ verwendet werden, sondern sie sind Werkzeuge für den täglichen Einsatz. Wie auf einer Klaviatur sollten Mitarbeiter mit diesen Instrumenten meisterhaft spielen, umgehen können. Das ist "Basis-Handwerkszeug"!
  • Das Kennen und Nutzen der enormen Möglichkeiten der im Einsatz befindlichen Kanzlei-Software. Meine Beobachtung in zahlreichen Workshops/Seminaren ist, dass hier enorme Lücken zwischen dem Möglichen und dem Verwendeten anzutreffen sind.
  • Das Kennen und Nutzen aller vorhandenen kleinen „Rund-Herum-Tools“, die in vielen Kanzleien im Einsatz sind. Kleine Hilfsprogramme, die das tägliche Arbeiten erleichtern, die allerdings meist nur vom einen oder anderen Mitarbeiter eingesetzt werden und dem Großteil des Teams nicht einmal bekannt sind.
  • Der effiziente Einsatz des Dokumenten-Management-Systems. Hier beobachte ich viele Doppelgleisigkeiten, Zweifacherfassungen aber auch Lücken in der Archivierung.

Der Analyseteil für die Erledigung des zweiten konzentrischen Kreises ist umfangreich:

  • Analyse aller vorhandenen Anwendungen in der Kanzlei.
  • Analyse der Fähigkeiten/Kompetenzen der Mitarbeiter in der Nutzung, die für den Mitarbeiter notwendigen Anwendungen.
  • Analyse der vorhandenen – allgemeinen und klientenspezifischen – Möglichkeiten, die ohne Nachfragen und ohne Zustimmung des Klienten realisiert werden können.
  • Analyse der vorhandenen Möglichkeiten, für deren Umsetzung die Zustimmung – nicht die Mitarbeit – des Klienten notwendig ist. Die Mitarbeit des Klienten ist im dritten konzentrischen Kreis notwendig.

Daraus ergeben sich die folgenden Maßnahmen:

  • Etablieren Sie in Ihrem Team das Bewusstsein, dass die Zukunft der deklaratorischen Steuerberatung darin liegt, über Steuer-Wissen und IT-Know-How zu verfügen. Nur die steuerliche Seite zu kennen, wird zu wenig sein.
  • Starten Sie eine IT-Fortbildungsinitiative! Durch interne Schulungsmaßnahmen, externe Trainings, Online-Seminare und Erfahrungsaustausch mit anderen Kanzleien!
  • Ergänzen Sie Ihre Aus- und Fortbildungspläne um IT; mit rund 4-5 verpflichtenden IT-Schulungstagen pro Mitarbeiter im Jahr.
  • Installieren Sie einen wöchentlichen IT-Jour-Fixe in der Kanzlei, in dem es ausschließlich um IT-Anwendungsfragen geht und in dem das Team die Möglichkeit – und die Verpflichtung – hat, ihr erworbenes IT-Anwendungswissen auszutauschen. Forcieren Sie den internen Erfahrungsaustausch.
  • Gründen Sie ein "Sonder-Einsatz-Kommando IT". Das sind im Regelfall 2-3 ausgewählte, IT-affine, aufgeschlossene, innovative Mitarbeiter, die die Speerspitze der Umsetzung der Digitalisierung/Automatisierung darstellen. Spätestens im dritten konzentrischen Kreis ist ein derartiges SEK Pflicht.
  • Bestimmen Sie einen "Profi" pro Software-Anwendung. Dieser Mitarbeiter sollte sich mit der jeweiligen Anwendung besonders gut auskennen und dieses Wissen weitergeben.
  • Geben Sie den Mitarbeitern des SEK und dem "Profi" Zeitbudgets für die Weiterentwicklung.
  • Führen Sie erste Gespräche mit Blickrichtung auf die vorhandenen Automatisierungsmöglichkeiten mit ausgewählten Klienten, um deren Sichtweise kennenzulernen.
  • Kleine Prämien-Anreizsysteme können einen zusätzlichen Anstoß für die Realisierung geben. Betrachten Sie das allerdings nur als abrundende Maßnahme. Nur wegen eines Prämiensystems ändern Menschen nicht ihr Verhalten. Führung ist gefragt!

Auch hier werden Sie feststellen, dass es einerseits Klienten gibt, die gegenüber einer zeitgemäßen Zusammenarbeit nicht aufgeschlossen sind, allerdings andererseits auch Mitarbeiter, die sich mit den technischen Herausforderungen schwer tun. Für einen gewissen Zeitraum ist es daher sinnvoll, diese beiden Gruppen zusammenzuführen. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Mitarbeiter, der in den nächsten 2-3 Jahren den Ruhestand antritt, sich vorwiegend um jene Klientengruppe kümmern sollte. Beim Klienten können dann – meist bei einer Generationenfolge – die modernen Maßnahmen der Zusammenarbeit leichter und einfacher realisiert werden.

 

Der dritte konzentrische Kreis – "Das Kennen und Nutzen aller bereits vorhandenen Potenziale der vorhandenen Anwendungen beim Klienten in der Bearbeitung der Klientenaufträge"

Während die ersten beiden konzentrischen Kreise noch ohne Mithilfe des Klienten zu bewältigen sind, braucht es für die Bewältigung des dritten Kreises das Engagement des Klienten. Und damit beginnt der – notwendige – Wandel des Berufsbilds und Berufsverständnisses. Weg vom Interessensvertreter, der Aufgaben für den Klienten erledigt, hin zu einem Prozessberater, der den Klienten bei der Erledigung der Rechnungswesenaufgaben tatkräftig unterstützt. Was so simpel klingt und logisch erscheint, ist, gelinde gesagt, eine Revolution. Natürlich lieferten Steuerberater immer wieder Vorschläge, wie der Klient sein Rechnungswesen bestmöglich erledigen könnte. Tatsächliche Beratung, d.h. Prozessberatung, fand allerdings nur in den seltensten Fällen statt. Sie zweifeln ob dieser Aussage? Dann überlegen Sie, wie oft und intensiv Ihre Mitarbeiter beim Klienten vor Ort waren, um dort genau diese Beratung vorzunehmen? Echte Prozessberatung von der Ferne ist so gut wie unmöglich.

Die zu lösenden Fragestellungen bzw. zu erledigenden Aufgaben sprengen das traditionelle Rollenverständnis des Berufs:

  • Welche Anwendungen sind beim Klienten im Einsatz, und wie können diese mit den Anwendungen der Kanzlei verknüpft werden? Schnittstellenprobleme sind zu lösen.
  • Wie sind die Rechnungswesen-Prozesse beim Klienten organisiert? Welche Routinen sind überflüssig? Welcher Work-Flow wäre unter Nutzung der vorhandenen Anwendungen ideal? Die Erkenntnisse aus dem ersten Kreis, d.h. das automatisierte Rechnungswesen der eigenen Kanzlei, lassen sich in weiten Teilen auf das Rechnungswesen jedes Klienten übertragen. Z.B.:
    o    Ausgangsrechnungen per Schnittstelle
    o    Eingangsrechnungen digital/elektronisch mit elektronischem Prüflauf
    o    Bank- und Kassendaten per Schnittstelle
    o    Buchungsrhythmus täglich, wöchentlich, 14-tägig?
    o    Übernahme des – automatisierten – Zahlungsverkehrs und des Mahnwesens
    o    Nutzung eines vorhandenen DMS beim Klienten
  • Welche (steuer-)rechtlichen Änderungen durch die Digitalisierung muss der Klient beachten?
  • Wie können wir idealerweise die Rechnungswesenaufgaben zwischen dem Klienten und der Kanzlei aufteilen? Was ist der optimale Betreuungsgrad für den jeweiligen Klienten? Shared-Services ist hier das Schlagwort.

Ein sinnvoller erster Schritt ist es, sich auf gewisse – in Ihrer Klientel starke – Branchen zu konzentrieren. Oft ist es nämlich so, dass ein paar wenige Branchenanwendungen 80 % aller Unternehmen dieser Branche bedienen. Kennen Sie sich dort gut aus, sind die Lerneffekte am größten. Sie erzielen damit die schnellste Wirkung.

Was bedeutet der dritte konzentrische Kreis für das Kanzleimanagement?

  • Die Etablierung eines "Sondereinsatzkommandos" ist keine Option mehr, sondern nahezu ein "Muss"!
  • Kooperationen mit IT-Anbietern sind notwendig und/oder IT-Profis werden in der Kanzlei beschäftigt, als Teil des SEK IT.
  • Es ist ein deutlich intensiverer Kontakt zu den Software-Anbietern Ihrer Klienten notwendig.
  • Mitarbeiter werden deutlich mehr vor Ort beim Klienten arbeiten (müssen). "Raus aus dem Elfenbeinturm" ist das Motto. Und das stellt hohe Anforderungen an die Mitarbeiter hinsichtlich Reisebereitschaft, Flexibilität, Mobilität, Kommunikationsfähigkeiten.
  • Die Erfahrungen aus den einzelnen "Vor-Ort-Projekten" müssen unbedingt in der Kanzlei weitergegeben, ausgetauscht werden. Alle Mitarbeiter sollten über die Fortschritte des SEK Bescheid wissen. Daraus können Checks zur digitalen Fitness der Klienten entwickelt werden, die eine neue – noch nicht dagewesene – Dienstleistung darstellen.
  • Bei entsprechender Branchenverteilung Ihrer Klienten können sich innerhalb des SEK einzelne "Branchen-Profis" herauskristallisieren.
  • Neue Karrierepfade für Mitarbeiter sind möglich.
  • Die vorhandenen Honorarstrukturen und -modelle bedürfen einer Anpassung.
  • Die IT-Fortbildung geht über die Steuerberateranwendungen hinaus.

Zusammengefasst ist erkennbar, dass hier der Wandel des Berufsbilds vollzogen ist. Der Steuerberatungsmitarbeiter, der in der Kanzlei auf Basis der vorzufindenden Unterlagen seine Aufgaben erledigt, wird zum Prozessberater für Rechnungswesenaufgaben, der sehr nahe am und unmittelbar mit dem Klienten arbeitet und damit Nutzen stiftet.

Spätestens bei der Realisierung dieses konzentrischen Kreises empfiehlt sich die Einrichtung/Bestimmung eines CDO (Chief Digital Officer). Ein Partner oder leitender Mitarbeiter, dessen Verantwortung es ist, die Kanzlei in die digitale Welt zu führen und bei dem alle Fäden dafür zusammenlaufen. Der CDO steuert aus Managementsicht den digitalen Transformationsprozess der Kanzlei.

 

Der vierte konzentrische Kreis – "Das Kennen, Vorschlagen und Implementieren von noch nicht vorhandenen Anwendungen beim Klienten"

In diesem konzentrischen Kreis setzt sich der Wandel des Steuerberaters zu einem rechnungswesenorientierten IT-Berater fort. Die zukünftigen Anforderungen sind, nicht nur das Rechnungswesen inhaltlich zu beherrschen, sondern auch die dafür vorhandenen Instrumente zu kennen und Klienten dazu beraten zu können.

Die Zukunft der deklaratorischen Steuerberatung ist die Kombination aus "Steuern & IT".

Mit welchen Themen müssen Sie sich daher befassen?

  • Marktrecherche zu den Rechnungswesenanwendungen der Branchen Ihrer Klienten. Derzeit schießen Start-Ups dafür aus dem Boden, deren Vor- und Nachteile Sie kennen sollten.
  • Die Bandbreite dieser Anwendung ist extrem groß: Von kleinen, nützlichen, smarten Apps (z.B. für die Zeiterfassung, Reisekosten, etc.) über Cloudlösungen für die Verarbeitung von Rechnungen bis hin zu ERP-Lösungen.
  • Kooperation und/oder Integration von IT-Unternehmen in die Steuerberatung oder Aufbau einer IT-Abteilung in der Kanzlei.

Nach meiner Einschätzung ist auch ein Blick über den nationalen Tellerrand hinaus sinnvoll. Was tut sich im gesamten deutschsprachigen Raum? Welche Tools sind aktuell in den USA bzw. in UK im Einsatz?

Der vierte konzentrische Kreis ist der Aufbau eines – ersten – neuen Geschäftsfeldes für die Steuerberatung. Die verbleibenden konzentrischen Kreise sind darauf aufbauend weitere neue Geschäftsfelder. Meine Einschätzung ist, dass dieses Geschäftsfeld, Rechnungswesen-IT-Beratung, langfristig betrachtet nicht nur als optionales zu betrachten ist, sondern eine unbedingte Notwendigkeit darstellt. Sich ausschließlich auf die Fähigkeiten des bisherigen Kanzlei-Softwarelieferanten zu verlassen, ist gefährlich.

Eine besondere Herausforderung besteht auch darin, Menschen unterschiedlichen Typs zu führen. IT-Profis sind einfach anders gestrickt als Mitarbeiter in der Steuerberatung. Wie gelingt es, dass diese beiden Menschentypen gut kommunizieren und ihr Wissen teilen? Eine echte Herausforderung an die Kanzleiführung!

 

Der fünfte konzentrische Kreis – "Das Hinterfragen, Unterstützen, Beraten der Klienten im Hinblick auf die sich ändernden Geschäftsmodelle des Klienten"

Während bei allen bisherigen konzentrischen Kreisen der Fokus stark auf IT und Prozessoptimierung im Rechnungswesen lag, eröffnet der fünfte konzentrische Kreis die strategische Perspektive der Digitalisierung. Genauer gesagt sind es zwei strategische Perspektiven: Jene des Klienten und die Ihrer Kanzlei.

Die zentrale Frage für die strategische Perspektive des Klienten lautet: Wie wird sich die Digitalisierung auf das Geschäftsmodell des Klienten auswirken? Experten zur Digitalisierung sprechen davon, dass keine Branche und kein Geschäftsmodell verschont bleiben werden. Ein lesenswertes Buch dazu ist Dematerialisierung - Die Neuverteilung der Welt in Zeiten des digitalen Darwinismus von Ralf T. Kreutzer und Karl-Heinz Land. Jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht, kann die sich abzeichnenden gravierenden Umwälzungen beobachten. In welcher Geschwindigkeit und Dimension sie eintreten werden, ist offen. Ob die Entwicklungen in den einzelnen Märkten/Branchen disruptiv sein werden, ist logischerweise auch nicht vorhersehbar. Welche Unternehmen werden profitieren, welche werden verlieren und von der Bildfläche verschwinden, weil Ihnen die Geschäftsgrundlage abhandengekommen ist?

Die damit zusammenhängenden Themen und Fragestellungen zeigen, dass hier für Steuerberater das Geschäftsfeld der strategischen Unternehmensberatung aufgeht:

  • Wie wird sich der Klient auf die Veränderungen einstellen?
  • Hat er eine Strategie für die digitale Transformation, um die sich ergebenden Chancen zu nützen?
  • Müssen wir als Berater dieses Thema nicht regelmäßig auf die Agenda für Klientengespräche nehmen?
  • Sind eigene Analyse-, Coaching-, Beratungsgespräche zur digitalen Transformation sinnvoll?
  • Strategie-Meetings als neues Beratungsfeld?
  • Verfügen wir als Beratungsunternehmen über die methodischen Kompetenzen, einen Strategie-Prozess begleiten zu können? Falls nein, wie bauen wir diese Fähigkeiten auf? Oder suchen wir dafür externe Verstärkung?

Somit eröffnet sich auch die strategische Perspektive für den Steuerberater. Nicht nur, dass Sie strategische Entscheidungen über den Aufbau des Geschäftsfeldes Unternehmensberatung zu treffen haben, sondern – und das liegt noch viel näher – stellt sich die entscheidende Frage: In wie weit werden überhaupt noch Klienten vorhanden sein, die über die letzten Jahre die verlässliche Quelle von Aufträgen in der Steuerberatung waren?

  • Gibt es Branchen/Segmente innerhalb der Klientel, die mit großer Wahrscheinlichkeit vorhersehbar, nicht mehr so existieren werden?
  • Welche Zielgruppen sind von der Digitalisierung und „Neuverteilung der Welt“ besonders stark betroffen?
  • Mit welchen Branchen/Segmenten/Zielgruppen wird sich auch langfristig in Zukunft durch Steuerberatung Geld verdienen lassen?

Eine fundierte Klientenanalyse in diesem Zusammenhang empfehle ich jeder Kanzlei. Ihre Kanzlei ist Ihre Klientenliste. Ergänzen Sie alle bisherigen Methoden der Klientenanalyse um den Aspekt "Chance/Bedrohung durch die digitale Transformation".

Doch selbst an diesem Punkt ist der Transformationsprozess nicht zu Ende. Auch wenn sich ein Großteil aller Steuerberater spätestens beim fünften konzentrischen Kreis schwer tut, oder sich sogar gedanklich ausklinkt, so kommt die echte Transformation der Branche im sechsten konzentrischen Kreis.

 

Der sechste konzentrische Kreis – "Das Entwickeln und Etablieren von vollkommen neuen Geschäftsmodellen für die Steuerberatung durch die Digitalisierung und die Nutzung der gesammelten/vorhandenen Daten"

Es liegt in der Natur der Sache und in der Logik der gewählten Systematik, dass der sechste konzentrische Kreis der noch Unklarste, Unbestimmteste, Verschwommenste ist. Allerdings wird er die umfangreichsten und gravierendsten Änderungen bringen, die im Moment allerdings nur schwer einzugrenzen und zeitlich vorherzusagen sind.

 

In zwei grundsätzliche Handlungsfelder möchte ich die letztendlichen Auswirkungen des sechsten konzentrischen Kreises unterteilen, wobei das erste Handlungsfeld offensichtlicher ist.

1.    Das Entstehen von neuartigen Dienstleistungen in der Steuerberatung

Neben den bereits oben beschriebenen Dienstleistungen innerhalb der möglichen Geschäftsfelder (von der Prozessberatung über die IT-Beratung bis hin zur Strategieberatung) sind beispielhaft die folgenden Leistungen vorstellbar:

  • Cloudbasierte Lösungen, die ein 7/24-Self-Service für den Klienten ermöglichen, da er durch clevere, smarte Anwendungen in den unterschiedlichen Prozessen des Rechnungswesens unterstützt wird.
  • Daten-Management, der aus der Vernetzung von Lieferant/Klient/Kunde entstehenden Datenströme.
  • Automatisierte einfache Steuerberatung mittels Sprachsteuerung und interaktiven Wissensdatenbanken.

2.    Big Data- und Deep Data Dienstleistungen

Die großen Beratungsunternehmen der Branche sind hier schon tätig. Zu Beginn ist oft noch nicht absehbar, welcher Nutzen aus all den vorhandenen und entstehenden Daten gezogen werden kann. Das sollte allerdings nicht das Hindernis sein, alle verfügbaren Daten zu sammeln.

Aus Querschnitt- und Tiefenanalysen der durch die Digitalisierung vorhandenen Datenbanken, die mit anderen Datenbanken verknüpft sein werden, entstehen Nutzen für Klienten, die im Moment nicht abschätzbar sind. Denkbar und möglich sind z.B.:

  • Vollkommen neue Formen von Branchenvergleichen
  • Extrem detaillierte Strukturinformationen
  • Entscheidungshilfen für den optimalen Einkauf und für Verkaufspreise
  • Informationen zum Kundenverhalten weit über das bisher bekannte CRM hinaus
  • Echtzeitinformationen für Soll-Ist-Vergleiche
  • Szenarienberechnungen und Unternehmenssimulationen in ungeahnter Tiefe und Vielfalt

Nicht ganz unrealistisch ist es, dass Steuerberater in dieser Phase der digitalen Transformation nur noch für die Analyse, Interpretation von Daten bezahlt werden. Nicht jedoch für das Be- und Verarbeiten von Daten.

Jeder Trend erzeugt eine Gegenströmung. So wird – nach meiner Einschätzung – trotz aller Digitalisierung das persönliche Beratungsgespräch ganz und gar nicht obsolet werden. Im Gegenteil, die Nachfrage wird steigen. Allerdings werden die Inhalte dieser Beratungsgespräche vollkommen neue sein. Der Berater wird deutlich mehr gefordert sein, vorhandene Informationen jederzeit abrufbar zu haben. Der Anspruch der Klienten in Richtung früher, konkreter, detaillierter informiert zu werden, wird sicher höher, da er es von anderen Dienstleistern in einer ähnlichen Weise als Kunde erlebt.

 

Resümee & Ausblick

Ich hoffe, dass Ihnen die vorgestellte Systematik der 6 konzentrischen Kreise etwas mehr Klarheit in das immens große und komplexe Thema Digitalisierung bringt. Die ersten 4 konzentrischen Kreise sind meines Erachtens schon sehr konkret greifbar. Sie stehen bei einigen – wenigen – Kanzleien auch schon stark im Fokus Ihrer Handlungen.

Da die Geschwindigkeit und die Dimension der auf die Branche zukommenden Veränderungen schwer abschätzbar sind, ist das primäre strategische Ziel, eine möglichst flexible, anpassungsfähige Kanzlei zu schaffen. In steuerrechtlichen Fragen mussten Kanzleien bisher immer schon anpassungsfähig sein und sich rasch auf alle – auch unvorhersehbaren – Reformen einstellen. Diese Art der Anpassungsfähigkeit ist allerdings eine vollkommen andere, als die jetzt geforderte. Kanzleien konnten – u.a. auch wegen der gesetzlichen Änderungen – immer mit relativ konstanten Auftragssituationen planen. Das fachliche Know-How zu halten und eine halbwegs solide Klientenbetreuung zu gewährleisten, waren fast schon Erfolgsgaranten. Dem wird nicht mehr so sein.

Kein Bereich der Kanzlei wird verschont bleiben. Die Mitarbeiterentwicklung in all seinen Facetten wird noch wichtiger werden, als sie es bisher schon war. Einen Mindset in der Kanzlei zu etablieren, dass Veränderungen die Normalität sind und sich Routinen und Prozesse auch radikal ändern können, ist die Basis für die weitere Existenz, das Überleben der Kanzlei. Die Mitarbeiterrekrutierung wird sich auf andere Kompetenzfelder richten. So werden MINT-Absolventen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) einen guten Teil der neuen Mitarbeiter in Steuerberatungskanzleien ausmachen. Deren Führung stellt Inhaber und Partner vor neue Herausforderungen.

Kooperationen außerhalb der Branche, aber auch innerhalb der Branche, mit bisherigen Konkurrenten, werden notwendig sein. Das steuerliche Expertenwissen mit anderen Fähigkeiten (IT-, Prozess-, Strategieberater) zu verknüpfen, erfordert echte Teamarbeit von Spezialisten. Das Führen von heterogenen Projektteams wird das Management der modernen Kanzlei prägen.

Werden Kanzleien an diesen Herausforderungen scheitern und vom Markt verschwinden? Voraussichtlich ja. Kleinere nicht spezialisierte Generalisten ziemlich sicher. Deren Tätigkeiten und Klienten werden entweder vollständig wegfallen oder von größeren Kanzleien übernommen werden.

Werden Steuerberatungskanzleien an Wert verlieren? Voraussichtlich ja. Das hat signifikante Auswirkungen auf jene Steuerberater, die ihre Kanzlei als wichtigen Teil ihrer Altersvorsorge eingeplant haben. Beteiligungs- und Partnermodelle, die über Jahrzehnte auf relativ konstanten Firmenwerten aufgebaut waren, sind kritisch zu überprüfen und bedürfen ziemlich sicher einer Anpassung.

Ergeben sich Chancen aus der digitalen Transformation? Ja, sicher! Sogar sehr große. Allerdings nur für jene Kanzleien, die sich bereits heute sehr intensiv darauf vorbereiten. Die bereit sind, trotz noch nicht klar abschätzbarer Herausforderungen, zu investieren. Damit meine ich weniger Sachinvestitionen, sondern Zeit und Geld für die Entwicklung von bisher nicht vorhandenen aber zukünftig notwendigen Fähigkeiten, um eine möglichst anpassungsfähige Kanzlei zu schaffen. Dann gehören Sie und Ihre Kanzlei zu den Gewinnern der digitalen Transformation.

Lesen Sie dazu auch:
Was hat Prozessoptimierung mit Disruption gemein?

Digitalisierung & Automatisierung - Endlich!

6 Kommentare

Thomé 20.01.2017 / 17:25 Uhr

Guten Tag Herr Lami,

Ihr Artikel ist lesenswert und trifft die Entwicklung auf den Punkt!
Ich gehöre noch zu der Generation Buchhaltung aus dem Schuhkarton. Habe heute viel Freude daran, wenn ich die Buchhaltung selbst machen kann. Ich bin Allrounder kann alles, mache alles, bis hin zur Wirtschaftsberatung!
Habe viel Zeit und Geld in diese Dinge investiert. Seid 2007 wende ich die ASP - Lösung der DATEV an, mit DMS usw. Habe ein eingerichtetes QM-System.
Was ich nicht geschafft habe die entsprechenden Mitarbeiter zu finden, zu führen und zu halten.

Mein Resümee: Mehr an seiner Firma arbeiten, als in der Firma.
Das muss sehr gut geplant werden und in die Freiräume investiert werden.

Ich habe Sie mehrmals Live erleben dürfen und war immer begeistert.

Wünsche Ihnen alles Gute auch in 2017.

Nur weiter so!

1

Stefan Lami 20.01.2017 / 20:43 Uhr

Lieber Herr Thomé!

Vielen herzlichen Dank für Ihr positives Feedback und die Zustimmung.

An seiner Firma zu arbeiten ist immer eine gute Idee. Alles Gute und viel Erfolg! Ich freue mich auf ein Wiedersehen.

Stefan Lami

2

Volker Mühl 21.01.2017 / 16:35 Uhr

Hallo Stefan,

am kommenden Mittwoch haben wir unser Kick-off-Meeting genau mit diesen Themen und drauf folgenden Aktionen.
Wir sind schon gespannt.

Danke für Deine Anregungen.

Volker

3

Barbara 22.01.2017 / 00:40 Uhr

Lieber Herr Lami,
die Anregungen sind super und als Leitfaden gut anwendbar. Vielen Dank!
Frage: In Deutschland gibt es rege Diskussionen und bereits diverse Stellungnahmen, inwieweit Dokumente "nachweislich" sind - insbesondere in der Wirtschaftsprüfung. Dort wird vom Format pdf-A gesprochen. Wie ist in diesem Zusammenhang die Rechtslage in Österreich? Gibt es da schon Entwürfe/Arbeitsgruppen bei kwt/iwp? Ich würde das als große Erleichterung erachten.
Herzliche Grüße
Barbara H.

4

Stefan Lami 22.01.2017 / 17:10 Uhr

Liebe Barbara,

danke für Dein positives Feedback.

Von Arbeitsgruppen bei der KWT weiß ich nichts; hier könnte der direkte Kontakt zur Kammer nützen.
Auf der Homepage des BMfür Finanzen gibt es die Richtlinien für das elektronische Archivieren.
www.bmf.gv.at/steuern/selbststaendige-unternehmer/umsatzsteuer/elektronische-rechnung_abgaeg2012.html

Herzliche Grüße
Stefan

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Stefan Lami 22.01.2017 / 17:11 Uhr

Hi Volker!

Alles Gute für das Kick-Off und herzliche Grüße

Stefan

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