Mag. Stefan Lami - Steuerberatung - Unternehmensberatung

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Die Ära der Berater

Beschleunigt durch Corona

01.05.2020

Die vielen Telefongespräche, Videokonferenzen und E-Mails („Was kann ich für Sie tun?“) während der letzten Wochen zeigten mir folgendes aktuelles Bild in Bezug auf die Corona-Krise in den Steuerberatungskanzleien:

  • Es gab extrem viel zu erledigen. Die Anträge, also die „technische“ Unterstützung im Zusammenhang mit Kurzarbeit, Hilfsfonds, Steuerstundungen etc., wurden mit hohem Einsatz eingebracht.
  • Die Teams waren äußerst engagiert. Chefs berichteten extrem Positives über ihre Mitarbeiter.
  • Die Teams rückten zusammen, obwohl sie vielfach räumlich getrennt waren.
  • Die Digitalisierung erlebte eine Beschleunigung.
  • Der Umgang mit Videokonferenzen, Home-Office und anderen technischen Herausforderungen wurde schnell erlernt.
  • Die Kanzleiführung war ziemlich gefordert. Insbesondere in der internen Kommunikation.
  • Es gab sehr viele Kontakte mit Klienten. Allerdings auf eine andere Art und Weise und mit anderen Inhalten im Vergleich zur üblichen Betreuung.
  • Die allermeisten Kanzleien haben ausführlich über die laufenden Entwicklungen ihre Klienten informiert.

Ich habe auch wahrgenommen, dass die differenzierte Betrachtung der Klienten („Kanzleimanagement in der Corona-Krise“) nützlich für viele Maßnahmen war, was mich natürlich sehr freut.

Jetzt, nach den ersten Wochen des Arbeitens im Krisenmodus, stelle ich fest, dass das Gefühl herrscht, das Dringlichste und Wichtigste erledigt zu haben. Natürlich kommen noch täglich neue Gesetze, Verordnungen und Erlässe auf den Tisch, die es zu lesen, kommunizieren und umzusetzen gilt. Nur …

Wie geht es weiter?

Aus dem gerade einmal ansatzweise erkennbaren Ausmaß der extremen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie lässt sich schließen, dass fast alle Unternehmen noch eine sehr lange Zeit mit der Bewältigung dieser Auswirkungen zu tun haben werden. Trotz dieser negativen Prognose für weite Teile der Wirtschaft, die zudem eine positive Erledigung der Gesundheitskrise als Voraussetzung hat, ist aus meiner Sicht für die Steuerberatungsbranche ein positiver Ausblick realistisch. Der Berufsstand wird stärker gefragt sein als je zu vor. Allerdings auf eine vollkommen andere Weise, neuen Anforderungen und unter deutlich geänderten Bedingungen.

Die Ära der Berater

In einem anderen Zusammenhang, nämlich mit der stattfindenden Digitalisierung der Steuerberatung, habe ich auf die Bedeutung der Beratung für den zukünftigen Kanzleierfolg hingewiesen. Lesen Sie dazu den Beitrag „Der Steuerberater als Orakel“.

Dort schrieb ich im vorletzten Absatz:

Vielleicht beschäftigt Sie die Frage, ob das „Orakel-Geschäftsmodell“ noch nicht absehbare Zukunftsmusik ist oder doch schon bald Realität sein wird. In diesem Zusammenhang riskiere ich eine Weissagung: Das „Orakel-Geschäftsmodell“ wird schneller Realität werden, als es die meisten in der Branche erwarten. Daher ist meine Empfehlung, sich jetzt mit diesen Überlegungen intensiv zu beschäftigen, da der für die Umsetzung notwendige Kulturwandel mehr Zeit braucht, als man glaubt. 

Die zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklungen beschleunigen aus meiner Sicht die genannte Notwendigkeit. Die Zeit für den angesprochenen Kulturwandel wird drastisch kürzer. Warum das so ist, beschreibe ich weiter unten. Vorher möchte ich mich noch einer grundsätzlichen Frage widmen:

Was ist Beratung?

Weite Teile der Steuerberatung, insbesondere die deklaratorischen Leistungen des Steuerberaters, haben wenig mit der hier angesprochenen Beratung zu tun.

Die wesentlichsten Elemente der Beratung sind:

  • Sie ist in die Zukunft gerichtet. Eine Beratung „in die Vergangenheit“ ist denkunmöglich (mit der Ausnahme einer rückwirkenden Umgründung/Umwandlung eines Unternehmens).
  • Sie ist nicht geprägt von der Interessensvertretung durch den Steuerberater, sondern von den anderen möglichen Beraterrollen (Fachberater, Moderator, Prozessberater, Reflektor), bei denen der Anteil des Klienten an der Lösung des Problems größer ist. Lesen Sie dazu auch den Beitrag aus dem Jahr 2005 (!) „Beraterrollen und deren Konsequenzen“.
  • Beratungsaufgaben, die außerhalb der Aufgabe „Interessensvertreter“ sind, erfordern neben der (unternehmerischen) Fachkompetenz auch eine entsprechende Methodenkompetenz.

Die der Steuerberatung naheliegendste Beratungsleistung, neben der Steuergestaltungsberatung, ist die dem Rechnungswesen nahe betriebswirtschaftliche Beratung. Sowohl in einem Videoclip als auch in einem Textbeitrag habe ich berichtet, warum die meisten Steuerberater an der (gut bezahlten) Umsetzung dieser Beratungsleistungen bisher gescheitert sind.

Zur Abrundung und Vertiefung des Themas „Beratung“ möchte ich an „Nicht nur Profession, sondern auch Passion“ erinnern. Die dort genannten Kriterien sind nun mehr gefragter denn je.

Dringlich, wichtig und eine vollkommen neue Herausforderung!

Aus Sicht vieler Klienten besteht jetzt eine nie dagewesene Dringlichkeit und Wichtigkeit. Es geht oft um die blanke unternehmerische Existenz. Oder zumindest um das nur ansatzweise Aufrechterhalten des bisherigen Lebensstandards. Die damit zusammenhängenden Beratungsfelder sind vielfältig und groß. Dazu zählen u.a.:

  • Liquidität
  • Finanzierung
  • Umsatz, Ertrags- und Finanzplanung
  • Absicherung des privaten Vermögens
  • Sanierung, Insolvenz
  • Neuausrichtung und Strategie des Unternehmens

Als ergänzende Herausforderung kommt noch ein entscheidender Aspekt dazu, der in den letzten Jahrzehnten so gut wie nicht vorhanden war. Wie managt man als Unternehmer einen Abschwung? Die vielen Jahre des Aufschwungs, mit der Delle der Finanzkrise vor rund 10 Jahren, haben unternehmerische Fehlentscheidungen bzw. Führungsmängel weitestgehend überdeckt. Eine Rezession legt Versäumnisse und unternehmerische Defizite nun schonungslos offen.

Hier und jetzt braucht der Unternehmer nicht nur einen exzellenten fachlichen Experten (siehe die Punkte oben) an seiner Seite, sondern einen soliden Gesprächspartner für harte, notwendige Entscheidungen.  Zwei große unternehmerische Ziele sehe ich derzeit als generell gültig an:

  1. Das Überleben sichern
  2. Robust und anpassungsfähig für die Zukunft werden

Unmittelbare Folgen für die Kanzlei

Sollten Sie den Überlegungen zur „Ära der Berater“ zustimmen, ergeben sich daraus folgende Fragen für das Kanzleimanagement:

  • Wer in der Kanzlei KANN und will diese Beratungsaufgaben übernehmen?
  • In wie weit verfügen diese Personen schon über die dafür notwendigen Fähigkeiten?
  • Wie können die notwendigen Fähigkeiten schnellst möglich erlernt werden?
  • Was müssen wir tun, dass Klienten unsere Beratungsfähigkeiten erkennen?

Zu dieser Frage ist meine Antwort, dass es besser ist, den Kaufprozess zu verstehen, als verkaufen zu wollen. Die Kernaussage ist „Kümmern, nicht Verkaufen“.

  • Wie sieht das Honorarkonzept für Beratungsleistungen aus?

Die Beantwortung dieser Frage würde den Rahmen des Beitrags sprengen. Allerdings finden Sie eine Fülle von Antworten in den 79 Beiträgen zur Honorargestaltung hier>>> oder im Buch „101 Fragen zur mandantenorientierten Honorargestaltung“ im Kapitel zu den wissensorientierten Leistungen.

Weitere Aspekte für die Kanzlei

Weiter oben habe ich von einem positiven Ausblick für die Steuerberaterbranche gesprochen. Und diese Aussage mit den vorhandenen Möglichkeiten der Beratung verknüpft. Unzweifelhaft – so meine Einschätzung – wird sich die schwierige Wirtschaftslage auf das Kanzleiergebnis mittelfristig negativ auswirken. Geringere Umsätze der Klienten, Rückgang der Buchhaltungs- und Lohnabrechnungsaufträge, Ergebnisrückgänge der Klienten, Verlust von Klienten durch Insolvenzen. Die Rezession wird die Branche – zeitverzögert – treffen.

Mit den beschriebenen Beratungsleistungen kann der Effekt deutlich gedämpft werden. Allerdings wird die Rezession die bisherigen Defizite im Kanzleimanagement genauso schonungslos zu Tage treten lassen, wie bei allen Unternehmen.

Die letzten „goldenen“ Jahre und Jahrzehnte kontinuierlicher Steigerungen in der Branche hüllten eine Decke über vorhandene fundamentale Schwierigkeiten, wie beispielweise

  • Das Fehlen einer professionellen und wirksamen Mitarbeiterführung und -entwicklung
  • Zu wenig realisierte Produktivitätsgewinne durch Automatisierung & Digitalisierung
  • Schwelende Unstimmigkeiten innerhalb der Partner
  • Zu wenig aktive Betreuung der Klienten
  • Immer noch zeitlich großer Rückstand bei der Steuerdeklaration
  • Klientenorientiertes Honorarkonzept

Gerade jetzt, in der zu erwartenden Phase eines Abschwungs sind im Kanzleimanagement jene Maßnahmen notwendig, die immer schon umgesetzt hätten werden sollen. Das eine oder andere „heiße Eisen“ anpacken, die eine oder andere „heilige Kuh“ schlachten – wann, wenn nicht jetzt sollte man diese Herausforderung annehmen. Übrigens auch aus einem besonderen Grund: Sie als Inhaber, Partner werden sich dadurch deutlich besser in die Situation Ihres Klienten hineinversetzen können und werden ihn signifikant besser verstehen, wenn er vor ähnlich harten Entscheidungen in seinem Unternehmen steht.

Das oben genannte, jetzt generell gültige, erste unternehmerische Ziel, „das Überleben sichern“, sehe ich für die Branche im Großen und Ganzen nicht. Seien wir alle froh darüber. Allerdings das zweite Ziel „Robust & anpassungsfähig für die Zukunft werden“ sehe ich dafür umso mehr!

Chancen für die Mitarbeitergewinnung

Einen positiven Aspekt der Corona-Krise für Ihre Kanzleientwicklung möchte ich abschließend hervorheben: Ein – wenn nicht DER –  Faktor, über den die Branche am meisten während der letzten Jahre gestöhnt und geklagt hat, könnte sich verbessern: Die Chance, neue Mitarbeiter zu gewinnen.

Nützen Sie gerade jetzt alle Möglichkeiten, Ihre Kanzlei attraktiv für Mitarbeiter zu machen. Lassen Sie jetzt nicht nach, bauen Sie diesen Bereich weiter auf. Sichern Sie sich damit die Möglichkeit, kluge, engagierte, intelligente Köpfe für Ihre Kanzlei zu gewinnen. Die Situation am Arbeitsmarkt wird mit großer Wahrscheinlichkeit dramatische Änderungen und Verwerfungen erfahren. Nützen diese Veränderungen!

Resümee

Die Phrase „In jeder Krise stecken auch Chancen“ ist natürlich abgedroschen. Und in Anbetracht der vielen menschlichen und wirtschaftlichen Tragödien erscheint sie durchaus zynisch.

Allerdings, Sie können und sollen

  • einen guten Teil der krisenbedingten Änderungen (Homeoffice, Videokonferenzen, etc.) in die Post-Corona-Zeit mitnehmen
  • die Corona-Beschleunigung der Beratung nützen
  • sich bei Ihren Klienten jetzt noch besser positionieren und Ihre Leistungen ausbauen
  • Ihr Kanzleimanagement hinsichtlich Robustheit und Anpassungsfähigkeit auf den Prüfstand stellen

Die Zukunft kommt nicht irgendwie und zufällig auf uns zu. Wir haben es in der Hand, wie sie sein wird. Durch mein uneingeschränkt positives Weltbild bin ich davon überzeugt, dass wir alle lernen. Wir klüger werden. Und damit die Welt wieder ein Stück besser machen werden.

Zum Abschluss erlaube ich mir, eine sehr persönliche Erfahrung zu teilen: Die Isolation der letzten Wochen „zwang“ mich, mir früher und ausführlicher Gedanken über die zukünftigen Inhalte meiner Arbeit zu machen. Das ausführliche Nachdenken darüber ergab als Leitlinie für meine Beratungstätigkeit und -aufgabe:

Passion.People.Principles.Patience.

Mehr dazu in den nächsten Wochen und Monaten. Ich freue mich darauf!

4 Kommentare

Cornelius Nickert 04.05.2020 / 15:37 Uhr

Lieber Herr Lami,

Sie haben vollkommen recht. Wir definieren in unseren Seminaren die Beratung als "Gestaltung der Zukunft".

Leider sehen zu viele Kollegen die Begleitung einer Betriebsprüfung, eine sicherlich wichtige Tätigkeit, oder das führen eines Einspruchs als "Beratung". Es ist mitnichten der Fall.

Corona lehrt uns, mit der Unbekannten umzugehen. Aus diesem Grund ist es eine wesentliche Aufgabe des Berater mit der Ungewissheit in der künftigen unternehmerischen Entwicklung umzugehen, kurzum, ein robustes Unternehmen zu gestalten. Die unsichere Zukunft kann aber nur in Wahrscheinlichkeiten ausgedrückt werden. Daher würde ich Ihrer Leitlinie das fünfte P (Probability) hinzufügen.

Es grüßt Sie aus dem ausnahmsweise nicht sonnigen Südbaden

Cornelius Nickert

1

Dr. Rainer Schenk (Steuerberater) 04.05.2020 / 16:10 Uhr

Sehr geehrter Herr Kollege Lami!

Mit wenigen Worten gesagt: Ein erstklassiger Beitrag von Ihnen. Herzlichen Dank dafür.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Rainer Schenk
KANZLEI DR. SCHENK
www.kanzleidrschenk.de

2

Stefan Lami 04.05.2020 / 16:11 Uhr

Lieber Herr Nickert, vielen Dank für das positive Feedback, das mich sehr freut. Vielen Dank auch für den Hinweis zu "Probaility". Das regt mich zum darüber Nachdenken an.
Nochmals danke und herzliche Grüße, Stefan Lami

3

Stefan Lami 04.05.2020 / 16:14 Uhr

Lieber Herr Schenk! Vielen herzlichen Dank für das außergewöhnlich schöne Feedback.
Beste Grüße, Stefan Lami

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