Wenn es E-Mails schon vor dem Telefon gegeben hätte, würden viele sagen „Wow, mit der neuen Telefonerfindung kann ich mit dem anderen sogar reden!“

Corona hat vieles verändert. Unter anderem auch die Zusammenarbeit und Kommunikation in Steuerberatungskanzleien. Extern wie intern. Mit den Klienten sowie mit den Kollegen. Darüber habe ich im Beitrag „Die hybride Steuerberatungskanzlei“ bereits geschrieben. Und gut umgesetzt entsteht mit dieser hybriden Form der Zusammenarbeit eine neue, effektivere und effizientere Kanzleiorganisation zum Vorteil von Klienten, Kollegen und Inhabern.

Trend vor Corona

Bereits vor Corona war in Bezug auf die Kommunikation in Steuerberatungskanzleien (sowie in der gesamten Unternehmenswelt) ein deutlicher Trend erkenn- und spürbar. Mehr und mehr wurde über E-Mails kommuniziert. Intern wie extern. Diese Form der Kommunikation hat natürlich seine Vorteile. Wie z. B., dass sie schnell ist, unabhängig von der unmittelbaren Erreichbarkeit des Kommunikationspartners erfolgen kann und sie eine Dokumentation über die Inhalte der Kommunikation mit sich bringt. Unzweifelhaft besteht in der Art und Weise der Kommunikation mittels E-Mails in vielen Kanzleien ein großes Verbesserungspotenzial. Auch darüber habe ich bereits geschrieben; lesen Sie dazu „E-Mails professionell verfassen“.

Meine sehr persönliche Einschätzung ist, dass dieser Trend der zunehmenden E-Mail-Kommunikation inzwischen überhandgenommen hat und eine Adjustierung des Kommunikationsverhaltens allen Beteiligten guttun würde. Zig E-Mails mit gegenseitigem Antworten, die unsägliche Cc-Kultur, verkürztes Schreiben mit einem hohen Interpretationsspielraum für den Empfänger und viele weitere „Unarten“ haben sich – leider – etabliert.

Übrigens, wie denken Sie über das Gedankenspiel am Beginn dieses Beitrags?

Eine Frage der Qualität der Beziehung

Kommunikation fällt leicht, wenn eine solide, tragfähige Beziehung zwischen den kommunizierenden Personen besteht. Kommunikation ist extrem schwierig bis unmöglich, wenn die Beziehung nicht in Ordnung ist bzw. eine Störung vorliegt. Diese Tatsache hat Auswirkungen auf die E-Mail-Kommunikation: Ist mit dem E-Mail-Empfänger in Sachen Beziehung alles in bester Ordnung, nahezu freundschaftlich, dann werden die oben beschriebenen Unarten wenig bis keine negative Reaktion auslösen. Wenn allerdings die Beziehung nicht „in Butter“ ist, dann besteht ein großes Risiko des Missverstehens und der falschen Interpretation des Inhalts.

Wenn der Inhalt kritisch ist oder auch nur sein könnte

Die Alarmglocken in Bezug auf die Kommunikationsform sollten bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern bei kritischen Inhalten schrillen. Was ist denn „kritisch“? Mehr als man auf den ersten Blick denkt. Beispielsweise:

Sobald nur eine leichte Vermutung besteht, dass der Inhalt „kritisch“ ist oder „kritisch“ gesehen werden könnten, habe ich eine eindeutige Empfehlung über die Wirksamkeit der Kommunikationsformen:

1 – persönlich miteinander Reden

2 – zoomen (als Sinnbild für Videogespräche)

3 – Telefon

Und nur wenn es sich ganz und gar nicht vermeiden lässt bzw. die anderen drei Kommunikationswege in dieser Situation überhaupt nicht möglich sind, sollten Sie ein E-Mail schreiben. Und das allerdings mit höchster Sorgfalt in Bezug auf mögliche Missverständnisse beim Empfänger.

Echte Professionalität

Ist in Bezug auf die Kommunikationsformen einfach zu definieren: „Reden und dann schreiben, was besprochen wurde!“ Beim Gespräch (persönlich, Zoom oder Telefonat) haben Sie die Möglichkeit, auf die Reaktionen des Gesprächspartners einzugehen, Problemfelder zu erkennen und auf gemeinsame Lösungen zu kommen. In fast allen Fällen geschieht dies deutlich effektiver und schneller als mittels E-Mail. Wenn Sie ein E-Mail verschicken, haben Sie keine „Kontrolle“, wann und wie der Empfänger den Inhalt aufnimmt. Denken Sie nur an einen Honorarvorschlag an den Klienten. Wie fällt wohl seine Reaktion aus, wenn er möglicherweise gerade unmittelbar vor dem Lesen des E-Mails ein unangenehmes Kundengespräch hatte. Nur durch das Reden haben Sie eine Chance diesen Umstand zu erkennen und darauf eingehen zu können. „Reden und dann schreiben, was gesprochen wurde!“ ist die Leitlinie.

Eine Steigerungsform dieser Professionalität ist noch sogar noch möglich: „Ankündigen, worüber man reden möchte, darüber reden und dann schreiben, was besprochen wurde!“. Wenn Sie das perfekt hinbekommen möchten, vereinbaren Sie vorweg auch noch den Zeitpunkt des Gesprächs.

Natürlich wird diese – durchaus herausfordernde – Vorgangsweise im Kanzleialltag nicht immer möglich sein. Sie wird auch nicht immer notwendig sein. Allerdings, wenn es drauf ankommt, ist sie extrem effektiv.

Auf den Punkt gebracht als Kernaussage: Weniger E-Mails schreiben, mehr miteinander reden. Besonders, wenn der Inhalt „kritisch“ ist.