Mag. Stefan Lami - Steuerberatung - Unternehmensberatung

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Gibt es die faire Mitarbeiterbewertung überhaupt?

Von armen Säuen und Maden im Speck

24.04.2015

In vielen Kanzleien werden Mitarbeiter regelmäßig nach ihren erbrachten Leistungen beurteilt und nicht selten hat diese Mitarbeiterbeurteilung Auswirkungen auf Bonuszahlungen oder überhaupt auf die Gehaltseinstufung. Die Kriterien, wie Kanzleiinhaber dabei ihre Bewertungen durchführen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Was allerdings unabhängig von den verwendeten Systemen dabei ungerechterweise passiert, will ich an einem klassischen Beispiel darstellen, das ich vor kurzem von einem Mitarbeiter erfahren habe (Vielen Dank dafür!). 

Harte Faktoren und weiche Faktoren

In Bewertungsverfahren kann grundsätzlich zwischen harten und weichen Faktoren unterschieden werden. Vorteilhaft bei harten Faktoren ist und bleibt deren Messbarkeit, Sichtbarkeit und Prüfbarkeit. Allerdings ist die Steuerberatung eine Dienstleistungsbranche und genau deshalb spielen weiche Faktoren bei der Leistungsbeurteilung, also der Wahrnehmung „Was tut ein Mitarbeiter eigentlich wie?“, eine richtig große Rolle. Der Nachteil der weichen Faktoren besteht genau in deren Nichtmessbarkeit, häufig Nichtsichtbarkeit und schlechten Überprüfbarkeit. Es sei denn, Sie machen sich die Mühe und schauen genau hin und ERKENNEN Leistung, wo sie entsteht und ANERKENNEN sie bei denjenigen, die sie erbringen. 

Typische harte Faktoren für die Leistungsbeurteilung

  • Umsatz – klassisches Bewertungskriterium
  • Deckungsbeitrag
  • Zeitaufwand
  • Bildungsstand – Ausbildungsgrad
  • Verrechenbare Stunden
  • Fachliche Qualität und Quantität der erledigten Arbeiten 

Typische weiche Faktoren 

  • Fachkompetenz, Wille zur Weiterbildung
  • Soziale Kompetenz, Entlastung anderer Mitarbeiter, Belastbarkeit, Einfühlungsvermögen
  • Teamfähigkeit, Unterstützung junger und neuer Kollegen; Unterstützung durch Kanzleiführung oder andere Führungskräfte
  • Führungskompetenz, Verantwortungsübernahme, Verantwortungsbereitschaft
  • Methodenkompetenz, strukturiertes Arbeiten, effektives Delegieren, Prioritäten setzen können;
  • Persönliche Kompetenz, Kritikfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Selbstbewusstsein, Disziplin, Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit, Motivation, Freude
  • Erfahrungswissen
  • Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsbereitschaft
  • Identifikation mit der Kanzlei
  • Serviceleistung, geschenkte bzw. nicht abgerechnete Leistungen
  • Arbeitsweise (Sorgfalt und Effizienz)
  • Arbeitsqualität oder Arbeitserfolg
  • Verhalten gegenüber Vorgesetzten
  • Verhalten gegenüber Klienten
  • Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Kollegen
  • Innovationsfreude, Kreativität, Problemlösungen suchen 

 

Die Falschbewertung als alltäglicher Normalfall

Mit Hilfe von harten Leistungskriterien bewerten Kanzleiinhaber einen Mitarbeiter im Jahresabschlussteam in folgendem Beispiel: 

Der Zielumsatz wird auf 150 T EUR gesetzt. Den Umsatz zu erreichen, ist keine besondere Schwierigkeit, sondern durchaus möglich, wenn der besagte Mitarbeiter beispielsweise 20 Klienten betreut und diese zusammen einen Umsatz von 200 T EUR erwirtschaften. Davon muss der Mitarbeiter allerdings einen Umsatzanteil abgeben, wegen Hilfestellungen anderer oder weil andere beispielsweise die Abschlussgespräche führen. Der Mitarbeiter kommt abschließend auf einen persönlichen Umsatz von 175 T EUR.

Der Mitarbeiter hat damit seine Zielsetzung nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen. Die Aufträge haben insgesamt eine richtig gute Deckung, da solide Honorare vereinbart wurden, die Qualität stimmt auch. In Summe erhält der Mitarbeiter eine 1a-Bewertung. Er ist jedenfalls sein Geld wert, wenn nicht mehr. Gegebenenfalls erhält er für seine Leistung eine Prämie oder sogar eine höhere Gehaltseinstufung. Alles bestens also!

Bei genauerem HINSEHEHN profitiert der Jahresabschlussmitarbeiter von einer Reihe von Faktoren, die er nicht selbst beeinflussen kann, die ihm in seiner Leistungsbeurteilung allerdings sehr zugute kommen: 

  • Gute Honorare
  • Qualitativ sehr gute Vorarbeit aus der Finanzbuchhaltung und aus der Lohnabrechnung
  • Hohe Kommunikationsbereitschaft der zuarbeitenden Kollegen
  • Strikt gesetztes Leistungsziel

Mit Hilfe derselben Kriterien bewerten Kanzleiinhaber einen Finanzbuchhalter:

Der Zielumsatz wird mit 100T EUR festgelegt. Den Umsatz zu erreichen, ist ein sehr hohes Ziel. Er betreut 30 kleinere Klienten, die auf einen durchschnittlichen Umsatz von ca. 120 T EUR kommen. Von diesem Umsatz muss auch dieser Mitarbeiter Anteile „abgeben“, weil er beispielsweise anderen Hilfestellung gibt, Einschulungen übernimmt, Vorarbeiten für den Jahresabschluss leistet oder durch eine umfangreiche Urlaubsvertretung. Am Ende kommt dieser Mitarbeiter vielleicht auf einen Gesamtumsatz von 95 T EUR. Fazit ist, er hat seine Zielsetzung nicht erreicht. 

Demotivation 1:

Keine Zielerreichung, daher gibt es für diesen Mitarbeiter weder eine Bonusprämie noch eine höhere Gehaltsstufe.

Demotivation 2:

Die Deckung ist bei vielen Klienten aus den unterschiedlichsten Gründen miserabel: Honorar ist schlecht vereinbart, wenig Unterstützung der Inhaber/Partner bei der Organisation der Belege des Klienten

Demotivation 3:

Die Frage: „Wie kann das sein, was haben Sie da gemacht?“ – womit wir beim größten unternehmerischen wie menschlichen Fehler angekommen wären. 

Allerdings:

  • die Qualität der Buchführungen ist in Ordnung,
  • sie sind sauber gearbeitet, aber halt leider „rot“ – untergedeckt,
  • vorgezogene Abschlussbuchungen sind erledigt, weil ja eine unterjährige Abgrenzung dauerhaft durchgeführt wird bzw. werden soll

Bei genauerem HINSEHEN leidet der Finanzbuchhalter unter einer ganzen Reihe von Umständen, die er selbst kaum bis gar nicht beeinflussen kann. Unabhängig davon, wie fleißig er seine Arbeit erledigt, wird er genau deshalb seine Zielvorgaben nie erreichen: 

  • Schwache Honorarstruktur in der Finanzbuchhaltung
  • Vielleicht sogar die eine oder andere „geschenkte“ Finanzbuchhaltung für „Freunde des Hauses“
  • Schlechte Vorbereitung der Unterlagen durch den Klienten
  • Klienten bringen Unterlagen zu spät
  • Klienten bringen die Unterlagen unvollständig
  • Kommunikation bzw. Zusammenarbeit mit dem Klienten ist mühsam
  • Geschäftsleitung steht nicht hinter dem Mitarbeiter
  • Leistungsdruck 

Wie im Märchenland 

Die Moral aus dem Vergleich Jahresabschlussmitarbeiter und Finanzbuchhalter ist demnach, wie wir es aus unseren Kindertagen aus den Märchen kennen: Es gibt immer diejenigen, denen die Umstände zugute kommen, und diejenigen, die, egal wie sehr sie sich anstrengen, in der Gruppe der armen Säue landen.

Mitarbeiterbewertung auf reiner Zahlenbasis durchzuführen, kann nur ins Verderben führen. Zahlen bilden einen wichtigen Teil der Leistungsrealität ab. Zahlen können motivieren, allerdings sollten Mitarbeiter einer Steuerberatungskanzlei nicht nach Zahlen alleine bewertet werden. 

Mitarbeiterbewertung NEU 

(1) Hören Sie Ihren Mitarbeitern zu

Gerade die Finanzbuchhaltung ist die Basis für eine ganze Reihe von weiteren Dienstleistungen, die auf der professionellen Bearbeitung in diesem Bereich aufbauen. Die Mitarbeiter aus der Finanzbuchhaltung können Ihnen sehr genau sagen, wo und ob Schwierigkeiten bestehen. Allerdings nur, wenn Sie bereit sind es zu hören.

(2) Formulieren Sie eine neue Frage

In der scheinbar harmlosen Frage „Wie kann das sein, was haben Sie denn da gemacht?“ entdecken wir bei genauerem Hinhören den darin verborgenen Vorwurf.   Eine Alternative ist: „Mir ist aufgefallen, dass die Bearbeitung der Mandate XYZ mit miserablen Deckungsbeiträgen läuft, was können wir aus Ihrer Sicht ändern, dass das besser laufen kann?“

(3) Führen Sie Gespräche

Auch wenn eszeitaufwändig ist – nur in einem Gespräch können Sie erfahren, wo welche Leistungen von Mitarbeitern wie erbracht werden bzw. überhaupt erbracht werden können. Sie demonstrieren damit Interesse am Wissen Ihrer Mitarbeiter und zeigen Vertrauen in deren Kompetenzen.

(4) Stehen Sie zu und hinter Ihren Mitarbeitern und übernehmen Sie die Verantwortung

Manchmal heißt das auch Abschied nehmen von unkooperativen Klienten. Sie können nur gewinnen, wenn Sie Ihre Mitarbeiter fair unterstützen und damit Weiterentwicklung im Sinne von Leistungssteigerung ermöglichen.

Lesen Sie dazu auch "Ihre Kanzlei ist Ihre Klientenliste"
Oder nützen Sie für den Fall der Fälle das Muster Kündigungsschreiben aus dem Downloadbereich von www.stefanlami.com.


Faire Mitarbeiterbewertungen sind möglich. Die Zahlen bilden einen guten Teil der Leistungsrealität ab. Für faire Bewertungen sind allerdings immer Sie und Ihre Kompetenzen in der Kanzlei- wie in der Mitarbeiterführung gefragt. Erst im Gespräch mit Ihren Mitarbeitern können Sie erfahren, wie Sie Leistung vollumfänglich und damit fair bewerten können.

Im Beitrag verwende ich der besseren Verständlichkeit wegen die Berufsbezeichnungen "Abschlussmitarbeiter" und "Finanzbuchhalter", obwohl meiner Einschätzung nach "Klientenbetreuer Steuerberatung" und "Klientenbetreuer Rechnungswesen" richtig wäre.

Um diesen Beitrag zu hören, klicken Sie bitte hier>>>

Lesen Sie dazu den Beitrag "Zurück in die Zukunft" und sehen Sie auf stefan.in.motion den Beitrag "Der Paradigmenwechsel in der Steuerberatung".

2 Kommentare

Bernhard Brugger 01.05.2015 / 14:00 Uhr

Lieber Stefan,
besten Dank für Deinen Artikel, der eine Lanze zugunsten der armen Säue (aS) bricht. Bezeichnenderweise und nicht zufällig kamen die Anregungen hierzu nicht von einem Kanzleiinhaber, sondern einem Mitarbeiter. Bei einer wie oben genannten Mitarbeiterbewertung müsste es m.E. 2 zusätzliche Kategorien geben. "Unwichtig, und finanziell unrentabel" was in die oben beschriebene Richtung der Kündigung führt und "Wichtig und (derzeit) finanziell unrentabel". Beides müsste den aS zusätzlichen kalkulatorischen Umsatz bringen, da beide Kategorien der Kanzleiinhaber zu verantworten hat. Dein Artikel zeigt mir zusätzlich, wie schwierig eine vergleichende Mitarbeiterbewertung ist. Auch aus diesem Grund bin ich hier auch sehr zurückhaltend. Bei uns gibt es deshalb auch kein Bonussystem. Ganz wichtig hingegen finde ich es die Mitarbeiter mit sich selbst zu vergleichen. Woher kommt M (der sprachlichen Einfachheit halber hier männlich), wo war sein Stand letztes Jahr, was hat er verbessert/verschlechtert und warum, wo steht er jetzt. wo kann er bis wann zu seinen Gunsten und der unserer Kanzlei hin? Herzliche Grüße Bernhard Brugger

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Stefan Lami 04.05.2015 / 08:53 Uhr

Lieber Bernhard!
Danke für Deine zutreffenden Ergänzungen.
Leistungsbewertung ist und bleibt eines der am schwierigsten anzuwendenden Führungsinstrumente. Genau hinschauen, nachdenken, Menschenverstand einsetzen. Und eben keine - möglicherweise - falschen voreiiligen Schlüsse ziehen.
Liebe Grüße
Stefan

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