Cross-Selling ist in aller Munde. Nahezu jede Steuerberatungskanzlei setzt sich zum Ziel, neben den traditionellen Dienstleistungen (Buchhaltung, Lohnverrechnung, Jahresabschluss und Steuererklärungen) auch Zusatzdienstleistungen wie Finanzplanung, Umgründung, Vermögensplanung etc. zu „verkaufen“.

Diese Vorgangsweise ist grundsätzlich richtig. Eine Umfrage bei Klienten amerikanischer Steuerberater zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Dienstleistungen, die ein Klient in Anspruch nimmt und der Kliententreue:

Anzahl der Dienstleistungen

Wahrscheinliche Kliententreue

1 Art von Dienstleistungen 

12 %

2 Arten von Dienstleistungen 

24 %

3 Arten von Dienstleistungen

63 %

4 Arten von Dienstleistungen

81 %

5 Arten von Dienstleistungen

98 %

Diese Zahlen sind durchaus auch für österreichische und deutsche Verhältnisse zutreffend. Mit steigender Anzahl verschiedener Dienstleistungen, die der Klient beansprucht, erhöht sich die Treue des Klienten und verringert sich die Gefahr, dass sich der Klient einen anderen Steuerberater sucht. (Lesen Sie dazu auch „Warum Klienten den Steuerberater wechseln“  und „Treue Klienten in Zeiten wie diesen“ )

Die Tücken des Cross-Selling

Viele Gespräche mit Kollegen zeigten mir, dass das Cross-Selling nicht leicht fällt und es eine Reihe von Hürden zu überspringen gilt. Die größte liegt meines Erachtens allein schon im Umstand, dass von Cross-„Selling“ – also „Verkaufen“ – gesprochen wird. Der entscheidende Punkt ist nämlich, dass niemand etwas verkauft bekommen möchte. Haben Sie schon einmal einem Freund erzählt, wie toll es war, dass Ihnen z.B. eine sensationelle Stereoanlage „verkauft“ wurde oder wie faszinierend es war, dass Ihnen das neue Modell des Herstellers mit dem Stern „verkauft“ wurde?

Menschen wollen nicht, dass ihnen etwas verkauft wird. Menschen wollen etwas kaufen. Was so banal klingt macht einen entscheidenden Unterschied!

Die zentrale Frage ist also: Wie gelingt es einem Steuerberater, dass der Klient von sich aus zusätzliche Dienstleistungen nachfragt? Der erste Punkt dabei ist, dass er erst einmal wissen muss, was Sie alles anbieten. Damit komme ich zum Untertitel dieses Beitrages. Die Erfahrung mit vielen Steuerberatungskanzleien zeigt, dass es schon schwer genug ist, eine „Speisekarte“ für Ihre Kanzlei zu erstellen, anhand derer der Klient erkennen kann, welche (traditionellen) Dienstleistungen zu welchem Honorar angeboten werden (siehe „Ist Ihre Kanzlei wie ein Restaurant ohne Speisekarte?“ . In dieser „Speisekarte“ – dem strukturierten Dienstleistungsangebot – werden die Dienstleistungen und der Nutzen beschrieben. Sind dabei auch verschiedene Varianten – z.B. „Dienstleistungspakete“ – im Angebot, kann der Klient auswählen, welche Servicequalität er haben möchte.

Warum eine „Weinkarte“?

In einem guten Restaurant gibt es neben der Speisekarte immer auch eine Weinkarte. Weinliebhaber können durch die Auswahl des passenden Weins das gewählte Menü abrunden, und meist fragt man auch nach der Empfehlung des Kellners. Interessant ist auch, dass die Produkte der Weinkarte üblicherweise den höchsten Deckungsbeitrag haben. Es ist also von höchster wirtschaftlicher Bedeutung, diese Produkte auch zu verkaufen.

Ganz ähnlich ist es in der Steuerberatungskanzlei. Oder besser gesagt, sollte es in der Steuerberatungskanzlei sein. Mit einem strukturierten Dienstleistungsangebot für die traditionellen Dienstleistungen haben Sie den ersten entscheidenden Schritt gemacht. Zusatzdienstleistungen (mit üblicherweise hohen Deckungsbeiträgen) sollten Sie am Besten auf einer eigenen „Weinkarte“ präsentieren.

Die praktische Vorgangsweise zum Direct-Buying

Kümmern statt Verkaufen

Auf diesen Satz lässt sich das Thema fast reduzieren. Gelingt es Ihnen, dem Klienten das Gefühl zu vermitteln, dass Sie sich um ihn kümmern, ist der Rest extrem leicht. Sobald der Klient aber einmal das Gefühl hat, dass Sie ihm etwas verkaufen wollen, wird er die Nackenhaare aufstellen und - höflich wie er zu Ihnen ist - alle möglichen Gründe und Ausreden finden, warum er diese zusätzliche Dienstleistung nicht verkauft bekommen möchte.

Seien Sie bitte bei der Beantwortung der folgenden Frage selbstkritisch und ehrlich zu sich selbst: Denken Sie bei einem Gespräch über mögliche Zusatzdienstleistungen an den „Verkauf“ und das dadurch mögliche Honorar, oder geht es bei Ihnen ausschliesslich darum, den Klienten zu verstehen und ihm tatsächlich zu helfen? Ihre zutiefst innere Einstellung zu dieser Frage entscheidet darüber, ob Sie weiterhin Cross-Selling betreiben müssen, oder zum Direct-Buying des Klienten gelangen können.