Wie Sie zu einem Erwartungsgespräch kommen

Die Erwartungen des Klienten lassen sich am besten in einem persönlichen Gespräch klären. Falls Sie sich jetzt die Frage stellen, wie Sie dazu kommen, so ist die Antwort ganz einfach: Nehmen Sie den Telefonhörer in die Hand und rufen Sie Ihren Klienten an. Die meisten Steuerberater sind nicht gewöhnt, den Klienten einfach anzurufen. Und ganz ehrlich gesagt, auch für die Klienten ist es ungewöhnlich, dass der Steuerberater von sich aus anruft. Sie kennen doch die einzigen beiden Gedanken, die ein Klient hat, wenn der Steuerberater anruft? Erstens: „Ich habe meine Honorarnote nicht bezahlt“ oder zweitens: „Steht eine Betriebsprüfung an?“. Dieser Witz hat leider einen ernsten Hintergrund. Bei Klientenbefragungen wird immer wieder bestätigt, dass die aktive Beratung des Steuerberaters derjenige Punkt ist, an dem es dem Klienten am meisten fehlt. Nahezu alle Klientenbefragungen, die wir kennen, haben gezeigt, dass der Steuerberater deutlich mehr von sich aus auf den Klienten zugehen soll, anstatt darauf zu warten, bis er angerufen wird.

Beim Anruf zur Vereinbarung eines Gesprächs, um die Erwartungen zu klären, müssen Sie also die Tatsache berücksichtigen, dass der Klient möglicherweise nicht damit rechnet, dass Sie aktiv auf ihn zugehen. Geben Sie ihm nach der Begrüßung etwas Zeit, sich auf das Gespräch einzustellen, und „überfallen“ Sie ihn nicht sofort mit Ihrem Anliegen. Nachdem der Klient realisiert hat, dass er keine negativen Nachrichten zu erwarten hat (was er ja meistens hat, wenn der Steuerberater anruft), können Sie ihm erklären, worum es Ihnen geht: „Herr/Frau ......., es ist uns wichtig, Ihre Wünsche noch besser kennen zu lernen. Nur so ist es uns möglich, Ihnen genau die Dienstleistungen anzubieten, die Ihnen den höchsten Nutzen bringen. Aus diesem Grund würde ich mich freuen, wenn wir uns zu einem Gespräch treffen und Sie sich dafür ca. eine Stunde Zeit nehmen könnten. In diesem Gespräch geht es in erster Linie darum, dass wir Ihre Wünsche noch klarer erkennen und daraufhin ein ideales Serviceangebot für Sie erstellen.“

Sie finden sicher die Worte, die zum Klienten und zu Ihrem persönlichen Stil passen. Nur die wenigsten Klienten werden auf Ihre Absicht, mehr in Erfahrung zu bringen, negativ reagieren. Falls der eine oder andere Klient eventuell sagen sollte „Herr Steuerberater, Sie kennen mich jetzt schon seit x Jahren. Sie sollten doch sehr genau wissen, was ich mir von Ihnen erwarte...“, können Sie darauf in etwa so reagieren: „Herr/Frau ....., Sie haben Recht, wir kennen uns schon x Jahre, und ich weiß einige Dinge über Ihre Erwartungen. Allerdings bin ich mir sicher, dass es weitere Punkte gibt, die ich noch nicht weiß, und auf die wir in einem Gespräch kommen werden. Damit können wir eine noch bessere Grundlage dafür schaffen, wie wir bei ..... (Name der Kanzlei) noch mehr für Ihre erfolgreiche Unternehmensentwicklung leisten können....“

Sollte der Klient vollständig ablehnend reagieren, besteht offensichtlich ein tiefer liegendes Problem in der Klientenbeziehung. Daher wäre es unserer Erfahrung nach noch wichtiger, ein Gespräch zu führen, bei dem diese Schwierigkeiten aus der Welt geräumt werden. Falls es nicht einmal gelingt, ein Gespräch mit dem Klienten zu vereinbaren, stellt sich die Frage, ob der Klient überhaupt zu Ihrer Kanzlei passt und umgekehrt.

Wenn Sie wollen, können Sie - wir empfehlen es - im Telefongespräch auch schon das Thema Honorar ansprechen: „Herr, Frau ...., wenn es für Sie o.k. ist, würden wir, nachdem wir Ihre Erwartungen kennen, Ihnen das dafür passende Dienstleistungsangebot zusammenstellen. Und außerdem, falls Sie das wünschen, Ihnen auch ein fixes Honorar dafür vorschlagen....“

Wir haben bis jetzt noch kein Telefonat erlebt, in dem der Klient ein derartiges Angebot abgelehnt hat. Falls Sie immer noch zögern, die Initiative zu ergreifen, versetzen Sie sich in folgende Situation: Sie erhalten einen Anruf Ihres Softwarelieferanten. Er möchte mit Ihnen ein Gespräch darüber führen, wie das Softwarehaus noch besser auf Ihre Erwartungen eingehen kann. Er möchte herausfinden, durch welche Leistungen er mehr Wert für Ihre Kanzlei schaffen kann. Außerdem bietet er Ihnen an, ein für Sie individuelles Angebot zu erstellen, mit dem ein fixes Honorar verbunden ist. Sofern die Geschäftsbeziehung zu Ihrem Softwarelieferanten halbwegs in Ordnung ist und Sie nicht eine grundsätzliche Ablehnung gegen ihn haben, können wir uns kaum vorstellen, dass Sie dieses Angebot ablehnen. Falls Sie sich jetzt denken, dass eine derartige Vorgangsweise eines Softwarehauses in den Bereich der Fabeln und Märchen einzuordnen ist, weil das nie und nimmer passieren wird, dann können Sie sich vorstellen, wie die Reaktion des Klienten ausfällt, falls Sie ihm ein derartiges Gespräch anbieten. Er wird genauso überrascht sein und sich vielleicht denken: „Na endlich hat es mein Steuerberater verstanden. Lange hat es gedauert...“

Wann und wo das Gespräch stattfinden soll

Der Idealfall ist ein Erwartungsgespräch im Herbst, da Fixhonorarvereinbarungen üblicherweise für ein Kalenderjahr getroffen werden. Aber selbstverständlich können diese Gespräche auch zu jedem anderen Zeitpunkt stattfinden. Die Tatsache, dass der Herbst der beste Zeitpunkt dafür ist, sollte Sie nicht davon abhalten, so schnell wie möglich mit der Klärung der Erwartungen des Klienten zu beginnen. Das Gespräch kann beim Klienten, bei Ihnen in der Kanzlei oder vielleicht an einem „neutralen“ Ort stattfinden.

Auf die Frage, ob es nicht zu viel des Guten sei, ein eigenes Gespräch zur Klärung der Erwartungen zu führen, und ob es daher nicht ausreichend sei, im Zuge der Bilanzbesprechung auch die Erwartungen und das Honorar zu klären, können wir folgende Antwort geben: Ja, es ist durchaus möglich, die Bilanzbesprechung dafür zu verwenden. Vor allem dann, wenn schon einmal ein ausführliches Erwartungs- und Honorargespräch mit einem Klienten geführt wurde und es folglich nur um eine jährliche Anpassung geht. Auch bei kleinen Klienten wird es leicht möglich sein, die erwähnten Fragestellungen im Zuge der Bilanzbesprechung zu klären.  
Eines sollten Sie aber keinesfalls vergessen: Machen Sie den Klienten im Vorhinein darauf aufmerksam, dass Sie mit ihm diese Themen besprechen möchten. Keinesfalls darf er das Gefühl haben, dass er (im Rahmen der Bilanzbesprechung) „überfallen“ wird. Eine Möglichkeit wäre, dass Sie bei der Einladung zur Bilanzbesprechung bereits auf das Thema hinweisen.

Bei größeren Klienten und bei Klienten, in deren Unternehmen sich viel ändert, lohnt es sich, ein eigenes Erwartungs- und Honorargespräch zu führen. In diesem Fall sollten Sie nach der telefonischen Vereinbarung des Termins dem Klienten ein Fax oder E-Mail mit den wesentlichsten Fragestellungen schicken, damit er sich auf das Gespräch vorbereiten kann.

Welche Inhalte das Gespräch haben soll

Aus der Analyse der individuellen Situation des Klienten ergeben sich offene Punkte. Sei es die Finanzierungssituation, eine bevorstehende Übergabe, rückläufige Umsätze, starkes Wachstum oder rechtliche Angelegenheiten. Es gibt eine Fülle von möglichen Themen. Daneben wird sicher auch beim derzeitigen Leistungsumfang der Kanzlei das eine oder andere zu ändern sein. Also hätten Sie an und für sich schon dank Ihrer Analyse eine Reihe von Punkten, die Sie mit dem Klienten klären können.

Erliegen Sie aber nicht der Versuchung, dem Klienten sofort und unmittelbar Ihre Lösungen anzubieten. Es ist entscheidend, dass Sie ihn mit einbinden und er seine Sicht der Dinge darstellen kann. Dafür eignen sich allgemeine Fragen wie:

Diese allgemeinen Fragen, kombiniert mit konkreten Fragestellungen im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation des Klienten, helfen Ihnen herauszufinden, welche Erwartungen der Klient an Ihre Kanzlei hat. Sie schaffen mit diesen Fragen auch mehr Wert für Ihre Dienstleistungen.  
Es wird dem Klienten zum Beispiel bewusst, was es für ihn bedeuten würde, wenn er seine größten Probleme, etwa die dauernden Liquiditätsengpässe, gelöst hätte. Daraus folgt noch nicht, dass Sie alle Probleme des Klienten sofort aus der Welt schaffen können. In dieser Gesprächssituation reicht es aus, wenn er erkennt, dass Ihre Arbeit ihm wertvolle Beiträge z.B. für seine Unternehmensentwicklung oder Vermögenssituation bringt.

Mit diesen Fragen erhalten Sie auch einen ersten Eindruck davon, ob der Klient eher preisorientiert ist oder ob er höchste Servicequalität schätzt. Für Sie ist es in der Folge leichter, anhand des strukturierten Dienstleistungsangebots das für ihn passende Paket für die Standarddienstleistungen zu schnüren.

In der Gesprächsführung gibt es für Sie vor allem zwei Herausforderungen:

1.    Gekonnt fragen: Lassen Sie genügend Zeit zwischen den Fragen verstreichen. Sie dürfen Ihre Fragen nicht wie in einem Verhör „abfeuern“. Bitte beachten Sie auch, dass Sie die Fragen nicht checklistenartig vor sich liegen haben. Am besten ist es, wenn Sie die Fragen nur in Ihrem Kopf abrufbereit haben. Sie sollten nur in Ausnahmefällen Ihre Notizen (aus der Analyse) verwenden.

2.    Zuhören, zuhören und nochmals zuhören: Besonders in dieser Gesprächssituation ist die Kommunikationstechnik „Aktives Zuhören“ erfolgsentscheidend. Sehr viele Menschen glauben, zuhören sei einfach. Viele Untersuchungen zeigen aber, dass das ein Irrtum ist. Zuhören ist deshalb so schwierig, weil wir schneller denken als der Gesprächspartner redet. Während jemand redet, hören wir üblicherweise nur mit einem Teil unseres Gehirns zu, während der andere Teil schon die Antwort vorbereitet. Zuhören ist eine Fähigkeit, die entwickelt werden muss. Zuhören ist mehr als nur hören.

Das dosierte Wechselspiel aus gekonnt fragen und zuhören entscheidet darüber, ob Sie das Ziel, möglichst viel über die Erwartungen des Klienten zu erfahren, erreichen.

Wer in einem Gespräch viel redet, dominiert das Gespräch, wer viel fragt, führt es.

Wir empfehlen Ihnen, sich während des Gesprächs Notizen zu machen. Erstens fällt es Ihnen dadurch leichter, das Dienstleistungsangebot zusammenzustellen, und zweitens zeigen Sie damit dem Klienten auch, dass das, was er sagt, für Sie wichtig ist.

Warum Sie mit diesem Gespräch nur gewinnen können

Wenn Sie am Ende des Gesprächs, auf Grundlage der Erwartungen des Klienten und Ihres strukturierten Dienstleistungsangebots, dem Klienten das Honorar nennen können, haben Sie das Idealziel erreicht. Es ist aber nicht unbedingt notwendig, mit dem Klienten schon in dieser Phase das Honorar zu besprechen. 
Besonders in den ersten Gesprächen, bei denen Sie noch nicht so viel Routine haben, oder in den Gesprächen mit größeren Klienten wird es besser sein, das Honorar nicht zu fixieren, sondern sich vorerst beim Klienten zu bedanken und ihm vorzuschlagen, ihm in den nächsten Tagen einen Honorarvorschlag auszuarbeiten.

Die Analyse vieler Erwartungsgespräche zeigt, dass man eigentlich nur gewinnen kann:

Sollte es einmal passieren, dass der Klient Ihnen überhaupt nichts erzählen will, er sich also extrem passiv verhält, keine Wünsche äußert und auch keine Beschwerden vorbringt, dann kann es leicht sein, dass der Klient „innerlich“ schon gekündigt hat (es gibt die „innere Kündigung“ nicht nur beim Mitarbeiter, sondern auch beim Klienten). Er hat vielleicht nur aus Höflichkeit dem Gespräch zugestimmt. Selbst in diesem Fall haben Sie mit dem Gespräch gewonnen. Sie haben jetzt nämlich noch eine Chance, die Klientenbeziehung zu retten. Auf jeden Fall haben Sie früher als sonst erkannt, dass eine Trennung für beide besser ist.

Auszug aus dem Buch „Honorargestaltung gegen alle Regeln“

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