Die Meinung, dass Systeme die Grundlage für Professionalismus darstellen, setzt sich zum Wohl der Klienten langsam, aber beständig durch. Die „Freiheit“ der freien Berufe widerspricht in keiner Weise dem systematischen Vorgehen. Selbstverständlich kostet die Einführung von Systemen den einen oder anderen Steuerberaterkollegen eine Portion Überwindung oder auch schmerzliche Erfahrung, aber auf lange Sicht sind Systeme die Grundlage für Professionalismus.

Die Aussage

"Wenn Piloten ihre Arbeit so machen würden wie Manager,
wären nicht mehr viele Passagiere bereit, in ein Flugzeug zu steigen"

sollten Sie selbstkritisch sehen und das Wort Manager durch Steuerberater ersetzen. Das Bewusstsein für systematisches Vorgehen ist beim Steuerberater zwar vorhanden und wird auch immer stärker, aber aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich, dass die Realität oft noch eine andere ist.

System als das Einhalten einfacher Regeln

Unter Systemen verstehe ich die Einhaltung von einfachen Regeln. Selbst hochkomplexe Systeme können auf der Einhaltung einfacher Regeln basieren. Diese Regeln definieren in unserem Fall, wie man Dienstleistungen auf bestmögliche Weise erbringen kann. Regeln bzw. Systeme sollen dafür sorgen, dass das nicht nur einmalig, sondern immer geschieht.

Jedes Unternehmen und jede Kanzlei hat Systeme. Auch wenn Sie glauben, keines zu haben, so haben Sie doch eines (oder mehrere). Jeder Mitarbeiter erschafft dann einfach sein eigenes System, und ihre Summe ergibt das System des Unternehmens. Die Art und Weise, wie in Ihrer Kanzlei Telefongespräche geführt werden, ist ein System. Auch der Empfang des Klienten, die Form Ihrer Briefe oder der Ablauf der Bilanzbesprechung sind Systeme. Systeme laufen zum Teil bewusst und zum (wahrscheinlich größeren) Teil vollkommen unbewusst ab. Die Kunst besteht darin, sie aufzuspüren und zu verbessern.

Bei der Verbesserung oder der Einführung eines Systems sollten Sie allerdings einen Punkt ganz besonders berücksichtigen: Neue Systeme funktionieren nur, wenn es leichter ist, sie zu benutzen als sie zu ignorieren.

McDonald's gilt als Paradebeispiel für Systeme. Nur dank seiner Systeme ist es möglich, dass Sie Pommes frites und Hamburger in einer immer gleichen Qualität (über den Geschmack kann man ja bekanntlich nicht streiten) in weniger als einer Minute zu günstigen Preisen, und das noch dazu in allen Lokalen weltweit, bekommen. Jetzt können Sie zu McDonald's stehen wie Sie wollen, eines ist vollkommen klar: Systeme haben eine bedeutende Wirkung nach außen und nach innen. Das gilt für McDonald's, für jede Luftlinie, jedes Unternehmen und für jede Steuerberatungskanzlei.

1. Die Wirkung von Systemen nach außen

Die Wirkung nach außen, also in Richtung Klient, lässt sich am besten an einem Beispiel zeigen, in dem Sie Kunde sind und die Wirkung von Systemen unmittelbar spüren. Nehmen wir dafür das Service an Ihrem Auto: Das hat fast jeder von uns schon mehrmals erlebt, und darüber machen sich die meisten Menschen auch keine großen Gedanken.

Das Service bei Ihrem Auto – eine einfache Sache?

Das Auto zum Service zu bringen, zeigt eine Reihe interessanter Aspekte:

Die Situation des Klienten

Sie erkennen sicher, dass sich Ihr Klient in einer sehr ähnlichen Situation befindet: Er gibt das Vermögen in die Hände anderer (in Ihre), er kann die Qualität Ihrer Arbeit nicht beurteilen, Ihre Arbeit hat gravierende (vor allem monetäre) Auswirkungen auf ihn, und die Folgen erkennt er – wenn überhaupt – oft erst sehr viel später bei der nächsten Betriebsprüfung.

Unter diesem Gesichtspunkt macht es einen deutlichen Unterschied, ob der Service-Mitarbeiter, der Ihr Auto annimmt, systematisch vorgeht oder nicht. Ob er anhand einer Checkliste mit Ihnen die Fragen zum Service durchgeht und ob er Sie systematisch nach Besonderheiten fragt, oder ob Sie gar nicht gefragt werden und daher hoffen müssen, dass wohl an alles gedacht wird.

Genau gleich geht es Ihrem Klienten, wenn Sie von ihm einen Auftrag übernehmen. Stellen Sie sich nur vor, wie er sich fühlt, wenn er Sie mit der Buchhaltung beauftragt und sich nicht sicher sein kann, ob Sie wohl daran gedacht haben, dass z. B. bei seiner monatlichen Erlösaufteilung ein besonderer Posten (die Kreditkarten) immer gesondert zu berücksichtigen ist. Welchen Eindruck macht in diesem Fall ein systematisches Vorgehen anhand einer Checkliste?

Checklisten als Zeichen von Erfahrung

Dank der Systematisierung vermittelt der Service-Mitarbeiter der Autowerkstatt den Eindruck „Wir machen das nicht zum ersten Mal“, er schafft Vertrauen hinsichtlich der Abwicklung. Wenn schon bei der Annahme Ihres Autos mit dieser Sorgfalt gearbeitet wird, gehen Sie davon aus, dass auch bei der Ausführung des Service selbst mit der gleichen Sorgfalt vorgegangen wird.

Dieses Vertrauen sorgt außerdem dafür, dass Sie das Auto immer wieder in diese Werkstatt zum Service bringen werden. Vorausgesetzt natürlich, dass die Dienstleistung in Ordnung war. Und selbst falls einmal etwas schiefgehen sollte, sind Sie eher bereit, der Werkstatt treu zu bleiben, da Sie grundsätzlich in die Qualität der Dienstleistung Vertrauen haben.

Geringeres Risiko

Der Service-Mitarbeiter macht das Ergebnis vorhersehbar, was ein entscheidender Punkt ist. Denn dadurch verringert sich Ihr wahrgenommenes und meist auch tatsächliches Risiko. Wie bei McDonald's, denn auch dort ist das Ergebnis weltweit vorhersehbar und darin liegt sicher einer der Gründe des Erfolges. Die meisten Menschen wählen die Dienstleistung bzw. das Produkt mit dem geringsten Risiko. Und somit auf der Urlaubsfahrt (wenn es schnell gehen soll) oft McDonald's, und nicht ein anderes lokales Restaurant.

Es steigt Ihr subjektiver Wert des Service. Ein Service mit einem systematischen Check und der systematischen Analyse Ihrer Wünsche ist für Sie mehr wert als ein Service, bei dem das alles nicht geschieht, obwohl die Ausführung nicht besser oder eventuell sogar schlechter sein kann als in einer Werkstatt, die nicht systematisch vorgeht (aber einen begnadeten Mechaniker hat).

Aus der Sicht des Klienten ist eine Lohnverrechnung, die aufgrund einer systematischen Analyse seiner Bedürfnisse durch einen „normal“ qualifizierten Mitarbeiter erfolgt, mit großer Wahrscheinlichkeit mehr wert als eine Lohnverrechnung durch einen Ausnahmekönner, bei der diese Analyse fehlt. Wenn auch möglicherweise dieser außergewöhnlich qualifizierte Mitarbeiter die objektiv bessere Lohnverrechnung erstellt.

Vorteile von Systemen in der Außenwirkung

Dieses kleine Beispiel des Autoservice zeigt, dass es sich lohnt, Systeme zu schaffen. Sie erreichen dadurch

Das alleine würde schon als Anstoß dazu reichen, sich mehr mit Systemen zu beschäftigen. Hinzu kommt noch die große Wirkung von Systemen nach innen.

2. Die Wirkung von Systemen nach innen

Auch die Beschreibung der Wirkung von Systemen nach innen – in Richtung Mitarbeiter und Kanzleiinhaber -  möchte ich mit einem kleinen, aber sehr anschaulichen Beispiel beginnen:

Der Umgang mit Kopiergeräten

Sie können sich wahrscheinlich noch an die Situation erinnern, als Sie zum ersten Mal auf einem neuen Kopiergerät Kopien anfertigen wollten. Falls das nicht so ist, nehmen Sie irgendein anderes technisches Gerät. Ich bleibe bei der weiteren Beschreibung des Beispiels der Einfachheit halber beim Kopiergerät.

Das einfache Kopieren mag ohne große Komplikationen noch funktionieren, sofern Sie schon Erfahrungen mit Kopiergeräten haben. Falls Sie aber sortiert oder doppelseitig kopieren wollen, wird der Vorgang um einiges komplizierter. Jeder von uns braucht dafür die Bedienungsanleitung und/oder eine Einschulung. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, den mühsamen Weg des „Trial and Error“ zu gehen: Sie versuchen es einfach so lange, bis Sie das gewünschte Ergebnis erhalten.

Bedienungsanleitung oder Einschulung?

Viele von Ihnen werden die Bedienungsanleitung und/oder Einschulung bevorzugen, und danach wird Folgendes geschehen: Für die ersten doppelseitigen Kopien müssen Sie sich noch konzentrieren und hoffen, nicht gestört zu werden (denn sonst könnte es leicht sein, dass die Kopien doppelt auf einer Seite herauskommen). Sobald Sie aber ein paar Mal die doppelseitigen Kopien entsprechend der Bedienungsanleitung gemacht haben, wird die Aufgabe immer leichter. Und zwar so leicht, dass Sie während des Kopierens sogar andere Arbeiten erledigen können. Sie müssen sich nicht mehr auf den Vorgang konzentrieren.

Sie beginnen dann auch auf die Details zu achten. Stimmt die Helligkeit? Macht das Kopiergerät eigenartige Geräusche? War der Einzug in Ordnung?

Wie geht es einem Mitarbeiter bei der Erstellung des Jahresabschlusses? Doch ganz ähnlich wie Ihnen beim Kopieren! Hat er ein System, mit dessen Hilfe er weiß, wie er vorgehen soll, kann er sich auf die Details konzentrieren. Es fällt ihm leichter, Abweichungen vom Üblichen festzustellen, sodass er sich mehr den Besonderheiten und Wünschen des Klienten widmen kann.

Vorteile von Systemen

Die Wirkung der Bedienungsanleitung – des Systems – wird am Beispiel des Kopiergeräts klar. Bei allen Aufgaben, die in Ihrer Kanzlei zu erledigen sind, hat sie dieselbe Bedeutung.

Effizienz und Effektivität

Zum letzten Punkt – Systeme erhöhen die Effizienz – möchte ich noch eine Anmerkung machen. Effizienz heißt „die Dinge richtig zu tun“ und muss auf jeden Fall von Effektivität unterschieden werden. Effektivität heißt „die richtigen Dinge tun“.

Das ist ein gravierender Unterschied. Sie können viel tun, damit die betriebswirtschaftlichen Analysen effizienter erstellt werden. Dadurch ist jedoch noch lange nicht gelöst, ob es die richtigen – effektiven (das heißt wirksamen) – Analysen sind oder ob es sie in dieser Art überhaupt braucht. Ihre Aufgabe als Kanzleiinhaber ist, zuerst herauszufinden, was die richtigen Dinge sind, und dann in einem zweiten Schritt diejenigen Systeme zu schaffen, damit sie richtig gemacht werden.

Adaptierter Ausschnitt aus dem Buch "Klientenwünsche systematisch erkennen und erfüllen"

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