In „Puls 2010“ antworteten 38 % der Steuerberater auf die Frage nach der größten Herausforderung im Jahr 2010 mit „Auftragsgewinnung – neue Klienten“. Die Auftragsgewinnung liegt damit weit vor den nächstgereihten Herausforderungen (Mitarbeiterführung und -entwicklung 19 %, Produktivitätsverbesserung 12 %, alle Ergebnisse siehe dazu Blog).

Dieses Ergebnis hat mich überrascht. Ich hätte nicht mit einer derart hohen Bedeutung der Auftragsgewinnung gerechnet. Und bin jetzt sehr froh, wieder etwas dazu gelernt zu haben. Bei näherem Betrachten und Durchdenken des Ergebnisses kam ich zu einem gewagten Schluss, warum „Auftragsgewinnung“ diesen hohen Stellenwert haben könnte: Nicht die aktuelle wirtschaftliche Notwendigkeit sorgt in erster Linie für die Priorität, sondern die Tatsache, dass Steuerberater „zu beschäftigt fürs Geschäft“ sind. Und das in 5-facher Weise!

1. Zu beschäftigt mit den bestehenden Klienten

Das ist wahrscheinlich die häufigste Ursache, dass Steuerberater sich nicht der Auftragsgewinnung widmen können. Auf den ersten Blick ist sich um die bestehenden Klienten zu kümmern eine gute Ausrede. Diese Klienten bringen unmittelbar Geld und es besteht noch dazu die Chance auf eine Weiterempfehlung.

Fakt ist jedoch, dass Sie als Inhaber, Partner, Teamleiter oder leitender Mitarbeiter sicher einen Gutteil Ihrer derzeitigen Klientenarbeit delegieren können (Lesen Sie dazu: „Delegieren – aber richtig“). Wenn Auftragsgewinnung tatsächlich eine Top-Priorität in Ihrer Kanzlei ist, dann reservieren Sie jetzt dafür die Zeit in Ihrem Kalender. Wie Sie diese Zeit sinnvoll einsetzen können, lesen Sie u.a. auch in „Danke! Raus aus der Kanzlei!“

2. Zu beschäftigt mit schlecht honorierten Leistungen

Der zweite mögliche Grund für zuwenig Zeit zur Auftragsgewinnung liegt darin, dass Sie zuviel Zeit in schlecht bezahlte Arbeit stecken. Diesen Teufelskreis habe ich in „Schlechte Honorare? Der Anfang vom Ende“ ausführlich beschrieben.

Die Lösung dieses Problems ist simpel, jedoch nicht ganz einfach. Trennen Sie sich von Ihren C-Klienten. Nützen Sie die frei gewordene Zeit für die Gewinnung attraktiver Aufträge. Um Ihnen diesen Schritt so leicht wie möglich zu machen, biete ich Ihnen eine Vorlage für einen Kündigungsbrief an. Bitte schicken Sie mir ein E-Mail mit „Kündigungsbrief“ im Betreff und Sie erhalten das Musterschreiben.

3. Zu beschäftigt, um das Netzwerk zu pflegen

Das Geheimnis erfolgreicher Netzwerkarbeit ist die Qualität. Nicht die Quantität. Es ist deutlich besser, sich mit wenigen – aber den richtigen – Netzwerkpartnern (Rechtsanwalt, Notar, Banker, etc) regelmäßig zu treffen, als bei vielen – meist unwichtigen – Veranstaltungen dabei zu sein. Ein Muss für professionelles Netzwerken ist das Buch „Never eat alone“ von Keith Ferazzi.

4. Zu beschäftigt für wirksames Marketing

Falls Sie das Gefühl haben, schon jetzt viel Zeit für Marketing aufzuwenden, Sie jedoch trotzdem nicht ausreichend neue Aufträge gewinnen, dann ist es Zeit, Ihre Marketingaktivitäten kritisch zu prüfen.

Ein Beispiel dafür sind Klientenveranstaltungen. Meine Erfahrung ist, dass die Wirkung von Veranstaltungen schlichtweg verpufft, weil man keine Zeit hat, diese professionell nachzubearbeiten. Schon im Design der Veranstaltung sollte vorgesehen sein, dass es einen Grund für ein persönliches Gespräch nach der Veranstaltung geben soll. Aufträge werden nach – und nicht bei – der Veranstaltung gewonnen. Gibt es kein Follow-Up, dann haben Sie die Chancen der Auftragsgewinnung durch die Klientenveranstaltung verspielt und der Nutzen Ihrer eingesetzten Zeit (für die Vorbereitung und Durchführung) ist marginal.

5. Zu beschäftigt mit anderen Aktivitäten

Der Beruf fordert Steuerberatern viel ab. In dieses ausgefüllte Leben auch noch weitere Aktivitäten „rein zu drücken“, hat zur Folge, dass der eine oder andere Aspekt einfach zu kurz kommen muss. Sollten Sie neben Ihrem Beruf mit Funktionen in der Gemeinde, der Nachbarschaft, Vereinen, der Schule etc. eingedeckt sein, dann ist es nachvollziehbar, dass sich nicht alles ausgeht. Setzen Sie Prioritäten. Sollte die Auftragsgewinnung wirklich Ihre größte Herausforderung im Jahr 2010 sein, dann ist es eine gute Entscheidung sich von diesen Aktivitäten wenigsten für einen gewissen Zeitraum zu lösen, um Zeit für Ihre wichtigste Aufgabe zu gewinnen.

Ihre Situation?

Sind Sie „zu beschäftigt fürs Geschäft?“. Trifft meine gewagte These auf Sie zu? Liege ich vollständig daneben? Habe ich die falschen Schlüsse gezogen?

Schreiben Sie mir. Ihre Meinung ist mir wichtig. Ich werde nicht zu beschäftigt sein, Ihnen nicht zu antworten.

Lesen Sie dazu auch "Low-Tech statt High-Tech im Marketing"