Immer öfter, ja fast schon im Regelfall, steht der Steuerberater in Angebotskonkurrenz zu Kollegen. Auch wenn Weiterempfehlungen weiterhin der größte Entscheidungsfaktor sind (siehe „Wie entscheiden sich Klienten"?), so vergleichen Klienten immer öfter, und vor allem deutlich konkreter, das Angebot des Steuerberaters.

Angenommen ein potenzieller Klient spricht dies auch offen an. Er sagt z.B. im Erstgespräch: „… ich möchte noch ergänzen, dass Sie 2 Mitbewerber für die Übernahme der steuerlichen Beratung haben: "Die ABC & Partner und die XYZ-Treuhand …“ Wie reagieren Sie auf diese Situation?

1)    Sagen Sie nichts?
2)    Nehmen Sie diese Aussage zum Anlass, um über Ihre Besonderheiten und die Differenzierung zur Konkurrenz zu reden?
3)    Halten Sie sich zurück und sammeln etwas „Munition“, um bei passender Gelegenheit in weiterer Folge des Gesprächs, sich und die Konkurrenz zu positionieren?
4)    Sagen Sie: „Das ist interessant. Können wir darüber reden, warum Sie gerade uns 3 ausgewählt haben?“

Ich würde mich bei diesen Optionen für 4) entscheiden und damit das Gespräch dorthin lenken, wo das wirkliche Interesse bzw. der entscheidende Nutzen des Klienten liegt.

Die beste Lösung für den Klienten

Hat Ihnen vielleicht auch schon mal ein Arzt erzählt, dass nicht ein einziger Pharmavertreter jemals ein Produkt einer anderen Firma empfohlen hat? Das führte dazu, dass Ärzte Pharmavertretern grundsätzlich misstrauen. Es kann einfach nicht sein, dass ein Anbieter für alle Fragestellungen immer die beste Lösung anbieten kann.

Ähnlich ist es auch bei Steuerberatern. Nicht, dass wir in der Glaubwürdigkeit uns den Pharmavertretern angleichen. Nein. Immer wieder wird es allerdings so sein, dass wir nicht die beste Lösung für die spezifischen Anforderungen des Klienten bieten können. Und da hilft auf lange Sicht einfach nur die Wahrheit, auch wenn es kurzfristig betrachtet schmerzt.

Falls der Klient extreme Fachkompetenz fordert (z.B. komplizierte Steuergestaltungen), die Stärke Ihrer Kanzlei aber in professionellem und schnellem Abarbeiten und Erledigen von Standardfragen liegt, dann wird der Klient auf lange Sicht gesehen bei Ihnen unzufrieden sein. Natürlich gilt das auch vice versa. Hat Ihre Konkurrenz einen Vorsprung im technologischen Bereich, und dem Klienten ist dies wirklich wichtig, dann wird er dort auf Dauer zufriedener sein.

Schließen Sie bitte jetzt bitte nicht aus dieser Meinung, dass ich Ihnen empfehle, potenzielle Klienten „mir nichts, dir nichts“ zur Konkurrenz zu schicken. Ganz im Gegenteil! Ich empfehle, die Erwartungen sehr genau zu klären.

Und ja, es kann mal passieren, dass ein einzelner Klient wirklich nicht bei Ihnen „glücklich werden kann“.

Die praktische Vorgangsweise

Nehmen wir den Faden des zu Beginn dargestellten Gesprächs wieder auf:

Sie: „Das ist interessant. Können wir darüber reden, warum Sie gerade uns 3 ausgewählt haben?“

Klient: „Gut, alle 3 Kanzleien haben einen guten Ruf. Und alle kamen so bei der ersten Analyse in die nähere Auswahl. Ich möchte durch die Gespräche jetzt eben herausfinden, welche Kanzlei am Besten zu unserem Unternehmen passt. Können Sie mir bitte einfach mal in kurzen Worten sagen, wie Sie Ihre Konkurrenz sehen?“

Sie: O.k.. Diese Frage sollten Sie natürlich allen 3 von uns stellen. Die meisten Klienten, die sich für ABC & Partner entscheiden, tun das wahrscheinlich, weil ABC & Partner im Bereich …………… Ihre Stärken sehen. Die XYZ-Treuhand sehen wir als Kanzlei, die …………………. gut kann, während unsere Besonderheit darin liegt, dass ……………..

„Der wirklich entscheidende Punkt ist allerdings, dass ausschließlich Ihre Wünsche und Erwartungen an den Steuerberater zählen. Das ist der wichtigste Fokus. Und wenn wir wissen, welche Kriterien für Sie bei der Wahl des Steuerberaters die wichtigsten sind, dann fällt es uns auch leichter,.Vergleiche anzustellen und Vor- und Nachteile der Anbieter abzuwägen, sodass Sie letztlich die für Sie richtige Entscheidung treffen.“

„Ist es daher für Sie o.k., wenn wir über Ihre Erwartungen sprechen?“

Paradoxon der Auswahl

Und hier kommt das Paradoxon bei der Steuerberaterwahl: Es kann leicht sein, dass Sie bei der einen oder anderen Erwartung des Klienten nur Zweitbester sind (im Vergleich zu Ihren Konkurrenten). Ihr starker Fokus auf die spezifischen Anforderungen kann jedoch den Ausschlag für Sie geben, obwohl Sie nach „objektiven“ Kriterien nicht der Bestanbieter sind.

Und übrigens, falls sich der Klient gegen Sie entscheidet, so wird er doch einen positiven Eindruck Ihrer Kanzlei mitnehmen, Sie empfehlen ohne sich für Sie entschieden zu haben und bei Schwierigkeiten mit dem gewählten Steuerberater wieder an Sie denken.