Neben der Frage, „Wer arbeitet in der Kanzlei?“ (also die Frage der Mitarbeiterauswahl) ist es genauso wichtig, sich mit der Frage „Für wen arbeitet die Kanzlei?“ auseinander zu setzen.

Viele Kanzleien investieren inzwischen sehr viel Zeit und Geld, um die richtigen Mitarbeiter zu finden. Mehrere Einstellungsgespräche werden geführt, es gibt einen Schnuppertag, das Team wird befragt und eine Probezeit vereinbart. Das ist gut so, und ich möchte betonen, dass man in diesem Bereich gar nicht genug tun kann. Leider stelle ich bei meiner täglichen Arbeit fest, dass bei der Auswahl der Klienten nicht in diesem Ausmaß systematisch und zielgerichtet vorgegangen wird.

Ich möchte Ihnen eine praktische Vorgangsweise der Klientenauswahl vorstellen. Es handelt sich um ein 3-stufiges Verfahren, das sicherstellen soll, dass nur diejenigen Klienten aufgenommen werden, die Sie wirklich betreuen möchten und durch die Sie die Voraussetzungen für eine langfristig positive Entwicklung Ihres Klientenstocks schaffen.

Stufe 1:  Klären Sie die Frage: „Kann der Klient unser Honorar bezahlen?“

Wer, wenn nicht Sie als Steuerberater, kann das am Besten beurteilen. Dabei geht es um:

Bei Unternehmensgründern stellt sich die Frage nach der Finanzierung der Gründung, überprüfen Sie darüber hinaus auch die Qualität des Businessplans.

Sollte die Frage der Stufe 1 nicht mit „Ja“ beantwortet werden können, dann erübrigt sich jede weitere Vorgangsweise.

Stufe 2: Klären Sie die Frage:  „Will der Klient unser Honorar bezahlen?“

Diese Frage ist schon etwas schwieriger zu beantworten. Sie müssen sich mit dem Klient auseinandersetzen und versuchen möglichst viel über ihn zu erfahren.

Dabei geht es z.B. um:

In dieser Phase müssen Sie Ihr Angebot präsentieren und gleichzeitig überprüfen, ob der potenzielle Klient dieses Angebot auch schätzt. Sie müssen herausfinden, ob der Klient lediglich ein Price-Shopper ist, der immer den billigsten Anbieter sucht, oder ob der Klient an einer dauerhaften – für beide Teile erfolgsversprechenden – Beziehung interessiert ist.

Eine Möglichkeit, die Zahlungsbereitschaft des Klienten festzustellen, ist eine (kleine) Anzahlung festzusetzen, bevor Sie mit der Arbeit beginnen. Es geht dabei nicht darum, dass Sie dadurch eine Vorfinanzierung Ihrer Ausgaben erreichen, sondern mehr um die symbolische Bedeutung.

Wenn Sie keine Anzahlung festsetzen möchten, empfehle ich Ihnen, sehr rasch die erste Honorarnote zu stellen. Damit können Sie die Zahlungsbereitschaft des Klienten überprüfen. Sollte der Klient die erste Honorarnote nicht pünktlich bezahlen, müssen Sie aktiv werden. Wenn Sie schon zu Beginn „nachlässig“ sind, dann werden Sie beim Klienten den Eindruck erwecken, dass Zahlungsziele beim Steuerberater nicht so wichtig sind.

Phase 3 – Klären Sie die Frage : „Wollen wir mit diesem Klient zusammenarbeiten?“

Hat der Klient die ersten beiden Phasen des Selektionsprozesses bestanden, sollten Sie sich fragen, ob Sie tatsächlich mit diesem Klienten zusammenarbeiten wollen. Anhand der folgenden Checkliste können Sie das überprüfen.

Checkliste zur Klientenauswahl:

Kriterium Ja/Nein
1 Der Klient hat eine angenehme Persönlichkeit  
2 Der Klient ist bereit, Ratschläge anzunehmen  
3 Der Klient hat eine positive Grundeinstellung  
4 Der Klient ist fachlich kompetent  
5 Das Unternehmen des Klienten ist rentabel  
6 Das Unternehmen des Klienten ist nicht nachhaltig kapitalschwach    
7 Die Branche des Klienten ist nicht von wenigen Kunden bzw. Lieferanten dominiert    
8 Es besteht eine konkrete Nachfrage nach dem Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens    
9 Das Unternehmen hat die Möglichkeit, sich am Markt zu differenzieren    
10 Das Unternehmen kann durch Planung und Controlling produktiver werden    
+ Das Unternehmen des Klienten besteht idealerweiseseit 3 Jahren  


Diese Checkliste sollten Sie bitte nicht in Anwesenheit des Klienten durchgehen, sondern nach dem ersten Gespräch für sich diese Fragen beurteilen. Der Klient ist jedenfalls qualifiziert, wenn er mehr als 8 „Ja“ erhält. Sollte er weniger als 5 „Ja“ erhalten, rate ich Ihnen davon ab, diesen Klienten zu betreuen. Zwischen 5 und 8 „Ja“ müssen Sie die Bedeutung der Kriterien gewichten und im Einzelfall entscheiden.

Die Verwendung dieser Checkliste soll Ihnen helfen, Ihre Klientenliste zu verbessern. Ihre Kanzlei ist Ihre Klientenliste. Ihre derzeitigen Klienten sind die Folge aller bisher getroffenen Entscheidungen bei der Auswahl Ihrer Klienten (Ausnahme: Sie haben eine bestehende Kanzlei übernommen).

Diese Checkliste kann auch für die Klientenanalyse eingesetzt werden. Überprüfen Sie Ihre bestehenden Klienten hinsichtlich der oben genannten Kriterien. Klienten mit weniger als 5 „Ja“ sollten Sie sehr kritisch beobachten, Klienten mit nur 3 „Ja“ oder weniger sind D-Klienten, von denen Sie sich jedenfalls trennen sollten (Lesen Sie dazu auch „Ihre Kanzlei ist Ihre Klientenliste“).

Klientenauswahl und Kanzleientwicklung

„Ihre Kanzlei ist nur so gut wie Ihre Klientenliste“.
„Sie können nur besser werden, wenn Sie bessere Klienten haben“.
„Schlechte Klienten ziehen schlechte Klienten an“.
„Schlechte Klienten vertreiben gute Klienten“.

Scheinbar triviale Aussagen. Dennoch sollten Sie sich immer wieder in Erinnerung rufen und täglich daran arbeiten.

Lesen Sie dazu auch:
"Brauchen Sie tatsächlich neue Klienten?"